Wien - Ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren, vierjährige Bachelor-Ausbildung sowie ein- bis eineinhalbjähriges Masterstudium für Lehrer aller Schulstufen und eine ein- bis zweijährige Berufseinführung an der Schule durch einen Mentor - das sehen die Gesetzesentwürfe zur Reform der Lehrerausbildung vor. Die Regierung muss sich in den Stellungnahmen zum Entwurf, dessen Begutachtungsfrist heute, Freitag, endet, allerdings Kritik gefallen lassen: Während die Reform der AHS-Lehrergewerkschaft zu weit geht, ist sie aus Sicht der Pflichtschullehrer nicht weitreichend genug. In einer Vielzahl von Stellungnahmen wird außerdem bekrittelt, dass die Kindergartenpädagogen nicht von der Reform erfasst sind.

Alles zurück auf Anfang wünscht sich die AHS-Lehrergewerkschaft bei der geplanten Ausbildung zum Sekundarlehrer: Sie fordert "ausdrücklich", dass es für die Sekundarstufe weiterhin unterschiedliche Lehrämter für AHS einerseits und Hauptschule/Neue Mittelschule andererseits geben soll; der Entwurf sieht dagegen einen "Sekundarlehrer" für alle Zehn- bis 19-Jährigen vor und ist damit grundsätzlich "gesamtschulkompatibel". Nach Ansicht der AHS-Gewerkschafter sollten außerdem weiterhin alle Teile der Ausbildung - also künftig Bachelor sowie Master - an der Uni absolviert werden, da sonst Ausbildung und Unterrichtsqualität deutlich verschlechtert würden. Dass Lehrer, die an einer Pädagogischen Hochschulen (PH) ausgebildet werden (für den Master müssen die PH verpflichtend mit Unis kooperieren, Anm.), in allen Schularten der Sekundarstufe und damit auch an AHS unterrichten dürfen sollen, wird "mit aller Entschiedenheit abgelehnt".

Kritik an Ausbildungsdauer

Auch mit der geplanten Ausbildungsdauer hat die AHS-Gewerkschaft ein Problem: Sie will, dass der Bachelor aus Gründen der Durchlässigkeit nur drei statt vier Jahre dauern soll, der Master hingegen mindestens zweieinhalb (statt ein- bis eineinhalb) Jahre. Außerdem fordert sie, dass AHS-Lehrer in den fünfeinhalb Jahren wie bisher für zwei Fächer ausgebildet werden sollen, Lehrer für die Neue Mittelschule (NMS) in der gleichen Zeit aber für drei Fächer. "Das würde das derzeitige Problem des häufig fachfremden Unterrichts an Hauptschulen bzw. Neuen Mittelschulen deutlich reduzieren." Insgesamt sei mit dem Regierungsvorschlag eine universitäre Ausbildung aller AHS-Lehrer nicht sichergestellt, daher "lehnt (die Gewerkschaft, Anm.) den Entwurf in der vorliegenden Form deshalb entschieden ab".

In einigen Punkten diametral entgegengesetzt fällt die Kritik der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft aus: Sie kritisiert die Vorgabe, wonach die Ausbildung sich "nach der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung schon bestandenen bisherigen Kompetenzverteilung" richtet: "Damit wird im Wesentlichen die aktuelle institutionelle Trennung aufrechterhalten. Im Sinne einer zukunftsorientierten Zusammenführung beider Institutionen im Rahmen einer universitären (Aus)bildungs- und Mitbestimmungsstruktur ist dieser Passus zu streichen!" Die Pflichtschullehrervertreter wünschen sich stattdessen, dass Unis und PH bei allen Studien kooperieren müssen - derzeit ist eine Verpflichtung nur vorgesehen, wenn PH ein Masterstudium im Sekundarbereich anbieten wollen.

Pflichtschullehrer fordern Konsequenzen für Dienstrechtsreform

Änderungen fordern die Pflichtschullehrer auch in Bezug auf Sonderschulpädagogen: Für diese soll es laut Reformentwurf keine eigene Ausbildung mehr geben, sondern eine Spezialisierung im Zuge der Ausbildung zum Volksschul- oder Sekundarstufenlehrer anstelle eines zweiten Unterrichtsfachs. Die Lehrervertreter wollen hingegen, dass es weiter eine eigene Ausbildung für Sonderschullehrer geben soll. Lehrer mit nur einem Unterrichtsfach seien zudem schwer im Stundenplan zu berücksichtigen. Die Pflichtschullehrer fordern außerdem Konsequenzen für die Dienstrechtsreform, denn: "eine masterwertige Ausbildung bedingt eine masterwertige Besoldung".

"Unzureichend" im Sinne von nicht weitreichend genug ist der Entwurf aus Sicht der Unabhängigen GewerkschafterInnen (ÖLI-UG). So kritisieren sie das "Fortschreiben des Status quo eines Zweiklassen-Systems von Schule und LehrerInnenausbildung", das Fehlen einer Kooperationspflicht für Unis und PH und unklare Zuständigkeiten bei der Weiterbildung. Die Wiener Landesregierung äußert wiederum die Sorge, dass durch die Verlängerung der Ausbildung für Pflichtschullehrer zu wenige Bewerber für Lehrerposten "ein sehr ernst zu nehmendes Problem darstellen" könnten.

Harsche Kritik von vielen Seiten gibt es auch wegen der Tatsache, dass die Kindergartenpädagogen entgegen früherer Ankündigungen nicht in der Reform berücksichtigt wurden. Der Tenor: Es widerspreche allen internationalen Erfahrungen, die Ausbildung für Elementarpädagogen weiter auf der Sekundarebene (Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik, Bakip) zu belassen. Stattdessen solle - wie für alle Lehrer vorgesehen - auch für diese Berufsgruppe ein Bachelor sowie ein für eine Fixanstellung verpflichtendes Masterstudium fixiert werden. Strikte Ablehnung kommt deshalb etwa vom Dachverband der Kindergarten- und HortpädagogInnen, der die Reform als "diskriminierend und für ein nachhaltiges, menschenorientiertes Bildungswesen kontraproduktiv" verurteilt.

Kritik von ÖH und Rektoren

In ungewohnter Eintracht kritisieren Universitätenkonferenz (uniko) und Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) die geplante Reform der Lehrerausbildung. Sowohl die Rektoren als auch die Studentenvertreter befürchteten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz durch die Gesetzesentwürfe, deren Begutachtungsfrist heute, Freitag, endet, einen Qualitätsverlust. Grund dafür ist, dass die Absolvierung eines Masterstudiums keine unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Lehrerberufs ist.

Dieser Plan sei zwar als Absicht formuliert, meinte die Vizerektorin der Uni Wien und stellvertretende Vorsitzende des uniko-Forums Lehre, Christa Schnabl. Es fehle aber eine entsprechende Verankerung im Dienstrecht. So bestehe die Gefahr, dass aufgrund des sich abzeichnenden Lehrermangels Abstriche gemacht werden und auch Bachelor-Absolventen an AHS unterrichten. Überhaupt sei in den Entwürfen "die Tendenz spürbar, dass sehr viele Absichten formuliert werden, die rechtlichen Verbindlichkeiten aber noch sehr mangelhaft sind". Auch die ÖH fordert die Verankerung eines verpflichtenden Masterabschlusses als Erfordernis für eine langfristige Anstellung im Lehrer-Dienstrecht.

Gemeinsamer Kritikpunkt von ÖH und uniko ist auch die fehlende Beantwortung der Institutionenfrage: Die Entwürfe ließen offen, ob künftig nach Schulstufen oder Schultypen ausgebildet werde - also ob es künftig wie bisher Lehrer für AHS bzw. BMHS einerseits und Pflichtschulen andererseits geben werde oder ob Lehrer etwa für Sechs- bis Zehnjährige, Zehn- bis 14-Jährige etc. ausgebildet werden. (APA, 3.5.2013)