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"Könnte es sein, dass Sie ein paar Plakatständer vermissen? Hier liegen nämlich ein paar." Dieser Hinweis eines älteren Mannes führte zu einem Sonntagsausflug von Claudia Gamon, Spitzenkandidatin der Jungen Liberalen (JuLis). Mit Fotos in ihrem Blog dokumentiert sie ihre Entrüstung, dass die von der Wirtschaftsuni Wien gestohlenen Dreieckständer ihrer Fraktion in den Wald am Leopoldsberg entführt wurden: "W.T.F. W. T. F. W... T... F..."

Der Wahlkampf der ÖH wird weiter von den schweren Plakatständern dominiert, doch die Social-Media-Kanäle quellen über von Youtube-Videos, FacebookVeranstaltungen, Blogeinträgen und Twittermeldungen. Der Stimmenfang vor der Uni mit biologisch abbaubaren Kugelschreibern, Feuerzeugen, Weißen Spritzern und Süßkram läuft online weiter.

Dass die Bemühungen der Fraktionen zwar erkennbar sind, jedoch noch immer die "klassischen Kommunikationsinstrumente" im Vordergrund stehen, ergibt die Analyse des Wahlkampfs. "Das verwundert mich bei dieser Generation allerdings", sagt Uta Rußmann, Professorin für Strategisches Kommunikationsmanagement und Neue Medien an der FH Wien der Wirtschaftskammer.

Schnappschüsse und Inhalt

Wie die Social-Media-Welt von den einzelnen Fraktionen befüllt wird, ist dabei sehr verschieden. Die Spitzenkandidatin des Verbands Sozialistischer Studierender (VSStÖ), Julia Freidl, betreibt ihren eigenen Wahlkampfblog mit Schnappschüssen ihrer Tour. Im Vergleich dazu liege der Online-Wahlkampf der Aktionsgemeinschaft (AG) noch in " traditioneller Pressearbeit", sagt Yussi Pick von der Kampagnen-Consulting-Agentur Pick & Barth. "Sie machen eine Medienaktion und bilden diese online ab – so erreichen sie den Long Tail", sagt der ehemalige ÖH-Pressesprecher.

Anders positioniert sich der Blog der Spitzenkandidatin der JuLis. Denn die Einträge spannen den Bogen vom Wahlkampf hin zu Gamons Lieblingsschuhen. "Gut so", meint Pick, denn einen "Blog, in dem es nur um Inhalte geht, liest niemand". Dies seien erste Personalisierungstendenzen im ÖH-Wahlkampf, erkennt Rußmann: "Politiker werden immer mehr in den Vordergrund gestellt und erzählen etwas Persönliches – so weckt man die Aufmerksamkeit." Die "Marke einer Fraktion" würde schließlich immer über Einzelne verkauft, schließt sich Pick an. Doch die eher unbekannten ÖH-Spitzenkandidaten würden " tendenziell überschätzt" werden, letztendlich läge die Wahlmotivation eher in den Wahlprogrammen.

Die Fraktionen setzen online vor allem auf Facebook. So findet man beispielsweise einheitliche Gestaltungen der Profilbilder von Mitgliedern einer Fraktion – schließlich sollen alle wissen, wofür man steht und die Fraktion noch einmal bekannt gemacht werden. Die Funktionäre der Fraktion Engagierter Studierender (FEST) beispielsweise halten ihre Profilfotos in Schwarz-Weiß, lediglich ein Element wird in Fraktionsfarbe hervorgehoben: Spitzenkandidatin Anna Lena Bankel trägt eine Ansteckblume in hellem Lila. Der VSStÖ packt seine Köpfe in Polaroidrahmen. Die Grünen und Alternativen Studierenden (GRAS) halten sich in der Uniformierung zurück. Lediglich das Titelbild einer Spitzenkandidatin weist auf GRAS-Forderungen hin.

"Sie posten wie verrückt"

Die Internetauftritte in allen Kanälen sind vor allem informativ. Zahlreich verlinkt wird dabei zum Beispiel die Wahlkabine, bei der durch Fragen wie "Soll sich die ÖH für mehr Sicherheitskräfte an Hochschulen einsetzen?" Orientierungshilfe geboten wird.

Die "Profilowner posten wie verrückt", erkennt Rußmann das Bemühen, sich in Social Media zu positionieren an. "Aber", bemängelt sie, "es findet kaum Diskussion statt. Wenn wir bedenken, dass wir hier von Digital Natives reden, ist das erschreckend."

Auf Twitter wird zwar diskutiert, allerdings eher interfraktionell. So twitterte Gamon etwa das Foto eines ÖVP-Vans mit der Bemerkung, die AG hätte jetzt auch Autos – und löste damit die Replik ihrer Kontrahenten aus. Spitzenreiter im Twitter-Auftritt sind die GRAS mit 1584 Followern, fast gleichauf mit Gamons Account mit 1467 Anhängern. Manches überrascht allerdings: die Unipiraten und ihre 85 Follower. (Louise Beltzung, Oona Kroisleitner, Selina Thaler, DER STANDARD, 3.5.2013)