Still ist es in den Gängen des Büros in der Taubstummengasse. Vom Wahlkampf bekommt man in den Räumlichkeiten der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) wenig mit. Auch sonst ist nicht viel los. Aus dem Raum neben der Küche hört man Getippe, sonst nichts. "Sekretariat" steht auf dem Hinweisschild.Die Schreibgeräusche kommen von der Tastatur von Lili Wasserbacher, einer von zwei Sekretärinnen der ÖH-Bundesvertretung. "Der Wahlkampf spielt sich an den Universitäten ab, weniger hier", erzählt Wasserbacher: "Wir bekommen nur mit, dass die Leute ein bisschen abwesender sind."

Seit die Direktwahl der ÖH-Bundesvertretung 2004 abgeschafft wurde, liegt die Zeit kurz vor den Wahlen "in der Warteschleife" - so ruhig war es zuvor nie. "Es war sehr hektisch - High Life sozusagen", beschreibt Wasserbacher die Zeit, als die ÖH-Bundesvertretung bei der Ausrichtung der Wahlen noch mitgemischt und mitorganisiert hat. Auch an Urlaubssperren und Stress erinnert sie sich.

Wasserbacher ist weit länger in der ÖH aktiv als ihre Vorgesetzten. Wenn alle zwei Jahre die ÖH neu gewählt wird und die Polit-Funktionäre wechseln, bleiben Wasserbacher und ihre 15 Kollegen zurück und beginnen mit einer neuen Exekutive zu arbeiten. Die Angestellten der ÖH sind eine Konstante im schnell wechselnden ÖH-Zirkus. Wasserbacher selbst hat mittlerweile die elfte Exekutive miterlebt: Seit 20 Jahren übernimmt sie die Verwaltungsarbeit der Hochschülerschaft und unterstützt die Neuen nach ihrer Wahl dabei, sich im Bürokratie-Dschungel zurechtzufinden.

"Wir erklären ihnen, wie der Hase läuft", meint Wasserbacher. Daran kann sich auch der Vorsitzende Martin Schott (FLÖ) erinnern. Zwar waren die Angestellten eine Stütze, trotzdem hörte man oft Sätze wie: "Das haben wir schon immer so gemacht." "Aber wenn man etwas schon ganz lange so gemacht hat, muss das nicht gleich richtig sein", meint Schott.

Größere Distanz durch Alter

Als sich Lili Wasserbacher mit 27 Jahren beworben hat, war sie "erstaunt, dass die ÖH auch Angestellte hat". Die damalige Germanistik- und Russischstudentin ging zwar zu den Wahlen, aber hatte sonst wenig Kontakt mit der Studierendenvertretung.

Seither hat sich viel geändert: "Am Anfang war ich im Alter meiner Vorgesetzten", erzählt die heute 47-Jährige: "Es wird ganz anders mit einem umgegangen, wenn man älter wird - die Distanz und der Respekt werden größer." Das sei etwas eigenartig für sie.

Auch viele verschiedene Arbeitszugänge hat Wasserbacher kennengelernt. Es gebe große Unterschiede: Je mehr Fraktionen an der ÖH beteiligt sind, desto schwieriger sei es, sich abzusprechen. "Die AG-Exekutiven hatten es so gesehen leichter, weil sie alleine gearbeitet haben", meint sie. Diese Zeit sei, was Entscheidungen angeht, "sehr auf den Vorsitzenden zentriert" gewesen. Durch die hierarchische Struktur konnten aber auch schneller Entscheidungen getroffen werden. In den linken Koalitionen sei es anders - etwas schleppender. Derzeit sind vier Fraktionen im Vorsitz vertreten, da "muss man aufpassen, niemanden zu übersehen". Manche wären sonst auch schon mal "ein bisschen beleidigt". Das Vorsitzbüro liegt gleich neben ihrem Arbeitsplatz. Dort wird gerade an einem Termin gefeilt, sonst ist nicht viel los. "Die Angestellten sind immer vor Ort, die Sachbearbeiter arbeiten oft von zu Hause", sagt Wasserbacher.

Chef sein muss gelernt sein

"In den letzten zwei Jahren habe ich nicht den großen Chef gespielt", meint Schott. Es wäre schließlich auch nicht so, dass die Angestellten jeden Montag auf seine "Befehlsausgabe" warten würden - anders als in klassischen Unternehmen. "Die Freiheiten, die man hier hat, gibt es sonst nicht. Man muss aber auch reifer sein und damit umgehen können", sagt Wasserbacher. Schott musste vor allem lernen, Arbeiten an Angestellte abzugeben. "Man befiehlt es ihnen aber natürlich nicht, sondern fragt, ob sie etwas für einen übernehmen können", erzählt Schott. "Sie kümmern sich dann auch immer darum - verlässlich. Das ist der Unterschied zu den Ehrenamtlichen", lacht er.

Die anstehenden Wahlen werden zwar den Name ihres Chefs ändern, sonst wird für Wasserbacher aber alles beim Alten bleiben. (Oona Kroisleitner, DER STANDARD, 3.5.2013)