Das Direktionsgebäude des Otto-Wagner-Spitals. 1907 wurde auf dem Gelände die "Niederösterreichische Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke"  eröffnet.

Foto: DER STANDARD/Christian Fischer

Pläne für das Steinhof-Areal: Maria Auböck und Adolf Krischanitz.

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Die Tristesse von Weihnachtsmarktstandln im Frühling: Der Grund könnte besser genutzt werden, findet die Expertenkommission.

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Wien - Der Fahrer des weißen Kleinbusses, der die Patienten und Besucher zwischen den Pavillons herumfährt, hält an und lässt das Fenster herunter. "Sie können gern einsteigen und mitfahren" , bietet er an. Das Gelände des Otto-Wagner-Spitals im 14. Bezirk ist weitläufig, im Winter müssen genauso viele Kilometer Wege geräumt werden wie in der ganzen Josefstadt. Doch jetzt ist Frühling. Wenn die Bäume wieder ausgetrieben haben und die Sträucher blühen, sind auf dem Areal am Steinhof viele ohnehin lieber zu Fuß unterwegs.

Nach den Plänen Otto Wagners errichtet und 1907 als "Niederösterreichische Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke"  eröffnet, ist auch mehr als hundert Jahre später erkennbar, dass die Außenanlagen damals als Teil des therapeutischen Konzepts angelegt wurden. Bereits bei der Eröffnung gab es Gärten - ummauerte für die unruhigen Patienten, mit einfachen Gartenzäunen für ruhigere Insassen. Es gab einen Freilufttanzplatz, und zur Orientierung war in den Längsachsen eine andere Baumart gepflanzt worden als in den Querachsen.

Die Landschaftsarchitektin Maria Auböck zeigt auf die Rinnen links und rechts des Weges, über die bei Regen das Wasser auf dem terrassenförmig ansteigenden Gelände abgeleitet wird. "Die sind noch original und müssen auf jeden Fall erhalten bleiben", sagt Auböck. Der Wert des Gesamtgeländes sei lange Zeit nicht erkannt worden.

Vor dem mächtigen weißen Direktionsgebäude, das am Beginn der Mittelachse liegt, deren Abschluss die Kirche am Steinhof bildet, gerät Architekt Adolf Krischanitz ins Schwärmen. "Schauen Sie, die Fenster gehen alle nach außen auf und dichten daher bei starkem Wind viel besser ab als Fenster, die nach innen zu öffnen sind."

Krischanitz und Auböck sind beide Mitglieder in der von der Stadt eingesetzten Expertenkommission, die vor kurzem ihre Vorschläge präsentiert hat, wie das Gelände nach der Absiedlung des Otto-Wagner-Spitals im Zuge der Wiener Spitalsreform genutzt werden soll. Die zentrale Forderung: Das gesamte Gelände kann nur als Einheit betrachtet werden und soll in öffentlicher Hand bleiben. Die Gründe sollen allenfalls im Baurecht vergeben werden. Weiters darf im West- und Hauptteil sowie in den Freiräumen zwischen den Pavillons nicht gebaut werden. Lediglich im Ostteil sei in einem kleinen Bereich Wohnbau vorstellbar. Nun soll eine Gruppe junger Architekten in einem Testplanungsverfahren ermitteln, wo dort gebaut werden könnte.

Ursprünglich hätte die stadteigene Gesiba dort 600 Wohnungen errichten wollen, ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss war bereits vorhanden. Doch als die Bürgerproteste gegen die Verbauung des Areals immer lauter und von der "Kronen Zeitung" unterstützt wurden, hat Bürgermeister Michael Häupl (SP) das Projekt gestoppt.

Gebaut wurde und wird im Ostteil allerdings auch jetzt schon. Krischanitz und Auböck bleiben vor dem massiven weißen Gebäudekomplex stehen, das der Gesundheitsdienstleister Vamed gerade errichtet. "Das steht hier jetzt wie bestellt und nicht abgeholt", sagt Krischanitz. Dennoch ­verschließt er sich nicht der Idee, Wohnungen im östlichen Teil zu errichten. Allein schon, um die Wirkung des wuchtigen Vamed-Gebäudes abzuschwächen. "Ich könnte mir punktförmig Gebäude mit drei bis vier Geschoßen und maximal sechs bis zehn Wohnungen vorstellen", sagt Krischanitz. Bloß Minigärten für die Bewohner werde es dort keine geben, "das Konzept eines durchgehenden Naturparks soll beibehalten werden" .

Ein paar Meter weiter stehen, auch sie wie verloren, Holzbuden neben dem Weg. "Das sind die Standeln für den Christkindlmarkt, den es hier auf dem Gelände jedes Jahr gibt und die hier einfach gelagert werden", sagt Krischanitz. Wirklich ärgern jedoch kann sich der Vorsitzende der Expertenkommission über das orangefarbene Gebäude, das unter anderem als Lager für Klopapier dient: "Das ist wirklich die größte Verschwendung." Lagerräume könnten unter die Erde verlegt werden.

Medizinische Nachnutzung

Wenn ab 2015 die ersten Abteilungen des Otto-Wagner-Spitals in andere städtische Krankenhäuser absiedeln, werden auch die ersten Pavillons endgültig frei. Die Kommission würde sich eine Nachnutzung durch Institutionen aus dem medizinischen Bereich wünschen. Krischanitz deutet auf einen der denkmalgeschützten Pavillons, der bereits saniert wurde. Ein angebauter Glaskubus dient als Windfang. "Es darf keinen Stillstand geben", sagt der Architekt, "nur so kann das Gelände auch belebt werden." (Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD, 2.5.2013)