Auf dem Land ist es langweilig. Nichts passiert. Die meisten der Katzen, die fünfmal täglich vorbeischauen, sind total süß. Füttern ist aber langweilig, und streicheln lassen sich nur zwei davon. Bei den Nachbarskindern ist es urfad, weil sie immer nur Räuber und Gendarm spielen wollen. In den Wald gehen sie sicher nicht. Im Wald ist es kalt, schiarch und langweilig. Stimmt, früher wollten sie immer ins Freibad im nächsten Ort, aber jetzt nicht mehr. Die Buben dort sind alle grindig und machen dauernd Arschbomben. Im Garten kann man nichts spielen. Das ist für Babys. Pingpong ist zu stressig. Der Ball fliegt dauernd auf den Boden.

Wenn sie in der Stadt bleiben könnten, könnten sie dort abchillen. Sie wissen auch nicht, wie jetzt genau. Vielleicht mit einem Film oder Big Bang Theory. Die Leute in Big Bang sind voll verrückt. Das ist sehr lustig. In ihrem Zimmer können sie jedenfalls nicht spielen. Da ist eine Spinne an der Wand, und sie finden Spinnen voll unangenehm.

Ihre Freundinnen haben es gut. Sie können immer in der Stadt sein. Alle Kinder in der Stadt haben es besser. Das alte Haus auf dem Land war unsere Idee. Alte Leute dürfen dort eh gern sein. Kein Problem. Sie nicht. Ihr Leben hat gerade erst angefangen. Unseres ist vorbei.

Das Zeitfenster, in dem man die Wochenenden glücklich im Kreis der Familie weit draußen vor den Ballungsräumen verbringt, ist knapp bemessen. Spätestens ab dem Gymnasium hat man mit Widerstand zu rechnen. Sobald das Haus fertig renoviert ist, steht es auch schon wieder leer. Die Kinder liegen dann lieber in der Stadtwohnung herum und beklagen sich darüber, dass es am Samstag und Sonntag unerträglich fad ist. Niemand kommt einen besuchen. Sie selbst können auch niemanden besuchen, weil alle besten Freundinnen zu Besuch bei anderen Kindern auf dem Land sind. Dort beklagen sie sich im Nachbarhaus darüber, dass unsere Kinder nicht hier sind und es auf dem Land so langweilig ist, dass sogar unsere Kinder, die sie jetzt nicht besuchen können, weil sie in der Stadt sind, in der Stadt bleiben dürfen. Man nennt das Luxusprobleme. Sie werden in der Pubertät nicht kleiner werden.

Wenn die Kinder einmal groß sind, wollen sie aber auch ein Haus auf dem Land haben. Das ist als Erwachsener sicher lustig. Man kann Katzen füttern, im Garten herumgraben oder Besuch von Freunden bekommen. Sie wollen aber ein anderes Haus haben als jetzt. Dieses Haus ist nicht schön. Es ist alt und grindig. Außerdem hat eine Maus den Osterhasen angeknabbert, der unter dem Bett liegt. Mäuse sind eigentlich voll süß. Sie sollen aber nicht im Haus sein. Irgendwo anders sein wäre überhaupt besser. Für alle. Dürfen die Kinder sich jetzt bitte eine DVD anschauen? Es ist langweilig. (Christian Schachinger, Family, DER STANDARD, 30.4.2013)