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Zunächst haben sich die Beweise für die "Große Rotation" etwas zerstreut.

Foto: Reuters/Marcarian

Anlagestrategen, Berater und Fondsgesellschaften rotieren schon seit Monaten. Die "Great Rotation", die große Rotation also, soll sich anbahnen. Anleger – so die These – schichten im großen Stile um, aus Anleihenfonds und in Aktienprodukte. Das habe man etwa im Jänner und Februar an den Fondsflüssen festgestellt.

Doch langsam machen sich Zweifel an dieser Hypothese breit. Eine aktuelle Umfrage der Bank of America Merrill Lynch unter Portfoliomanagern und institutionellen Anlegern zeigt: Im April ist erstmals seit acht Monaten die Allokation zu Aktien wieder gefallen, im Schnitt wurde das Übergewicht der Aktien in den professionellen Portfolios um zehn Prozentpunkte gesenkt. Dafür wurde wieder in Anleihen veranlagt.

Woher der Sinneswandel? Zunächst haben sich die Beweise für die "Große Rotation" etwas zerstreut. In Europa etwa haben Investoren rund um die Zypern-Krise wieder Aktienfonds verkauft, zeigen Daten von Morningstar. In die Portfolios wurden Anleihenprodukte, gerne auch mit höheren Renditen und Risiken, etwa Ramschanleihen, aufgenommen. Die sind zwar nicht weniger riskant als Aktien, vermitteln aber dank ihres Anleihencharakters eine gewisse Sicherheit.

100 Milliarden

Insgesamt sind seit dem ersten November 2012 mehr als 100 Milliarden Dollar in Anleihenfonds weltweit geflossen, zeigen Daten von EPFR, von einem Ausverkauf aus fix verzinsten Anlageprodukten kann daher nicht die Rede sein.

Zweitens sind die Risiken für die Aktienmärkte zuletzt fundamental gestiegen. Denn die globale Konjunktur dürfte etwas schwächer sein als gedacht. In den USA, China und vorneweg in Europa haben Wirtschaftszahlen enttäuscht, die Unternehmen berichten im ersten Quartal schwache Umsatzentwicklungen (WSJ). Diese Gefahr einer Frühjahrsmüdigkeit an den Aktienmärkten hat Investoren scheu gemacht.

Gründe

Dabei gäbe es durchaus gute Gründe, den Anleihenmärkten den Rücken zuzukehren. Wie Bloomberg berichtet, sind nun bereits 20 Billionen Dollar (15287 Milliarden Euro) an Staatsanleihen weltweit mit weniger als ein Prozent verzinst. Die Inflationsrate (in Österreich aktuell zumindest bei 2,3 Prozent) ist um zumindest das Doppelte höher. Besonders kurz laufende Papiere von sicheren Staaten haben längt ein Null vor dem Komma. Für zweijährige deutsche Anleihen waren die laufenden Renditen zuletzt bei lachhaften 0,001 Prozent, bei österreichischen Papieren waren es 0,1 Prozent, in den USA gibt es 0,21 Prozent. Die Dividenden- und Gewinnrenditen der Aktienunternehmen sehen hingegen deutlich besser aus. Aktuell machen die weltweit agierenden Unternehmen des MSCI World Index deutlich mehr Gewinn als etwa mit US-Staatsanleihen zu holen wäre. Die "Earnings Yield" (Gewinne geteilt durch Marktkapitalisierung) liegt rund fünf Prozentpunkte höher.

Weil Anleger wie Versicherungen und Banken auch auf absehbare Zeit nicht in Massen auf die Aktienmärkte kommen werden, könnten Aktien noch länger billig bleiben. Denn es gibt gute Gründe, warum es aktuell keine große Welle des Kapitals in die Aktienmärkte gibt. Regelwerke wie Basel III und Solvency II zwingen Versicherer und Banken dazu, Anleihen gegenüber Aktien zu bevorzugen. Pensionsfonds müssen ihre Pensionszusagen am besten mit lang laufenden Anleihen decken. Von diesen (besonders in Europa) wichtigen Anlegern dürfte also kaum Rückenwind kommen. Daher erwarten Anlageexperten auch, dass eine Welle in die Aktienmärkte wenn dann aus anderen riskanten Anlageklassen wie Rohstoffen kommen könnte, oder schlicht aus dem Cashbestand. Aktien könnten daher relativ zu Anleihen noch länger relativ gesehen billig bleiben. (Lukas Sustala, derStandard.at 30.4.2013)