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Zum Schutz von Bienenvölkern sollen Neonicotinoide in der EU nun zum Teil verboten werden.

Foto: AP/Patrick Pleul

Brüssel - Die EU-Mitgliedstaaten haben sich am Montag mehrheitlich für ein Teilverbot von drei umstrittenen Pestiziden ausgesprochen, um Bienen besser zu schützen. In der entscheidenden Sitzung in Brüssel stimmten 15 EU-Länder für den Vorschlag der EU-Kommission, wie die französische Vertretung bei der Europäischen Union am Montag über den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. Acht Länder stimmten gegen das Verbot, vier enthielten sich der Stimme.

#Abeilles: majorité de 15 Etats UE (dont France) pour soutenir Commission qui va interdire 3 insecticides #neonicotinoides. ad

— RPUEFrance (@RPUEFrance) 29. April 2013

Entscheidung liegt bei EU-Kommission

Da bei der Abstimmung nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit erreicht wurde, liegt die endgültige Entscheidung nun bei der EU-Kommission, die ein Verbot befürwortet. EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg hatte vorgeschlagen, die drei Pestizide aus der Gruppe der sogenannten Neonicotinoide für den Anbau von Mais, Sonnenblumen, Raps sowie Baumwolle für vorerst zwei Jahre zu verbieten. Der Gebrauch der Chemikalien soll vorerst für Wintergetreide und Pflanzen, die keine Bienen anziehen, erlaubt bleiben. Anstatt am 1. Juli soll die Neuregelung nun erst zum 1. Dezember in Kraft treten. Nach zwei Jahren will die EU-Kommission die Maßnahmen überprüfen.

Österreich stimmte gegen Verbot

Österreich stimmte erneut gegen das Verbot. Umweltschutzorganisationen forderten umgehend den Rücktritt von Umweltminister Niki Berlakovich. Dieser begründete die Ablehnung unter anderem mit "fehlenden wissenschaftlichen Studien zum Bienensterben", wie sein Sprecher am Nachmittag sagte. "Unser Ziel bei der Abstimmung war es, dass man Bienen- und Pflanzenschutz verbindet." Ein österreichischer Kompromissvorschlag sei in Brüssel nicht zur Abstimmung gebracht worden, bedauerte man im Ministerium. Zum Einsatz der bienenschädlichen Beizmittel meinte der Sprecher: Mehrere EU-Staaten hätten angekündigt, im Fall eines Verbots dieser Pestizide gentechnisch verändertes Saatgut anzubauen. "Das wollen wir in Österreich nicht." Berlakovich fürchte, dass dieses auch auf heimischen Feldern landen könnte.

Weiters komme es bei einem Verbot zu großflächigen Pestizidspritzungen, was insgesamt ein Mehr an Chemie bedeuten würde, argumentierte der österreichische Landwirtschaftsminister. Und: Ein Pestizidverbot träfe hauptsächlich Kleinbauern. Diese hätten oft Probleme mit einer vielfältigen Fruchtfolge, da sie mit ihr die Futtergrundlage für ihre Tiere nicht am eigenen Betrieb erzeugen könnten.

Kritik an Abstimmungsverhalten

Berlakovich erntete für seine Ablehnung Kritik: Als "echten Skandal" bezeichnete etwa Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima das Nein Österreichs zum Verbot "der für Bienen so gefährlichen Neonicotinoide". "Umweltminister Berlakovich hat sich von Beginn an als lupenreiner Lobbyist der Agrarkonzerne geoutet. Ich bin zutiefst enttäuscht und entsetzt vom Stimmverhalten der ÖVP in Brüssel", so Sima. Sie begrüßte das Abstimmungsergebnis in Brüssel. "Mit der heutigen Entscheidung im EU-Ausschuss ist klar geworden, dass sich Landwirtschaftsminister Berlakovich mit seiner Blockade-Politik gegen das Pestizid-Verbot nicht durchgesetzt hat. Das bisherige Torpedieren eines Verbotes der bienengefährlichen Saatgut-Beizmittel durch Berlakovich widerspricht allen wissenschaftlichen Erkenntnissen und kann nur als ein Kniefall vor den Interessen der Chemie- und Agrarindustrie gewertet werden", so Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen.

"Sogar Deutschland, die Heimat des Chemieriesen Bayer CropScience, der rund eine Milliarde Jahresumsatz durch Neonicotinoide macht, hat inzwischen die Notwendigkeit eines Neonic-Verbots zum Schutz der Bienen erkannt und zu einem Ja gefunden. Umso beschämender ist deshalb das Nein des österreichischen Landwirtschaftsministers Berlakovich", so Helmut Burtscher, Umweltchemiker von Global 2000.

"Dass Österreich nun bereits zum zweiten Mal gegen ein teilweises Verbot dieser Bienenkiller-Pestizide gestimmt hat, ist wirklich eine Schande. Damit hat Minister Berlakovich als Umweltminister klar versagt. Österreich hat aktiv dazu beigetragen, dass keine qualifizierte Mehrheit für ein Verbot der Neonicotinoide erreicht werden konnte. Minister Berlakovich ist offenbar nur mehr eine Marionette der Agrochemie-Industrie und der industrialisierten Landwirtschaft", kritisierte Dagmar Urban, Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace.

Hintergrund: Pestizide

Die drei Pestizide, zu deren Herstellern vor allem das deutsche Unternehmen Bayer und die Schweizer Syngenta gehören, stehen im Verdacht, Bienensterben zu verursachen. Die Hersteller weisen dies zurück. Bayer sieht Umwelteinflüsse und Krankheiten wie Milben als Hauptgründe für das Bienensterben. Pestizid-Kritiker warnen hingegen, dass Neonicotinoide neben tödlichen Vergiftungen auch dazu führen, dass Bienen ihren Orientierungssinn verlieren und nicht mehr in die Bienenstöcke zurückfinden. Ihr Immunsystem werde durch die Pestizide geschwächt, was sie für den Befall durch Milben und Krankheiten anfällig mache.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte im Jänner vor den Gefahren durch die drei Insektizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam gewarnt. Die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Untersuchung habe eine Reihe von Risiken für Bienen gezeigt, teilte die Behörde mit.

Abstimmungsverhalten

Eine erste Abstimmung im März hatte noch ein Patt ergeben, da Deutschland sich enthalten hatte. Daher kam es nun zur entscheidenden Abstimmung im Berufungsausschuss. Diesmal stimmte auch der deutsche Vertreter für das Verbot. (APA/red, derStandard.at, 29.4.2013)