Es ist die jüngste Regierungsmannschaft aller Zeiten und jene mit dem höchsten Frauenanteil. Italiens neuer Premier Enrico Letta hat angesichts der widrigen Begleitumstände bei der Bildung seiner neuen Regierung ein kleines Wunder geschafft und einen Generationswechsel vollzogen. Das von ihm präsentierte Kabinett bietet viele neue Gesichter.
Mithilfe von Präsident Giorgio Napolitano konnte Letta seine Strategie verwirklichen, ehemalige Spitzenpolitiker und Minister früherer Regierungen nicht zu berücksichtigen und den Forderungen der Falken aus Silvio Berlusconis Lager zu widerstehen. Einzige Ausnahme bildet der Parteichef des Volks der Freiheit (PdL), Angelino Alfano, der als neuer Innenminister auch das Amt des Vizepremiers übernimmt.
Zugeständnis an Fünf Sterne
Außenministerin wird überraschend Ex-EU-Kommissarin Emma Bonino, die über lange politische Erfahrung verfügt. Ihre Nominierung ist ein kleines Zugeständnis an die Fünf-Sterne-Bewegung, die sie unter ihren zehn Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten geführt hatte. Das Wirtschaftsressort geht an den Ökonomen und Direktor der Notenbank, Fabrizio Saccomanni, der die Ankurbelung des Wachstums als sein vordringliches Ziel bezeichnete. Die bisherige Innenministerin Anna Maria Cancellieri wechselt ins Justizressort.
Mit Nunzia De Girolamo und Beatrice Lorenzin übernehmen zwei junge PdL-Vertrerinnen, die nicht zu Berlusconis engem Dunstkreis gehören, das Gesundheits- und Agrarministerium. Die Univeritätsrektorin und Neurorobotik-Expertin Maria Chiara Carrozza wird Bildungsministerin, der aus Mario Montis Partei stammende Europarlamentarier Mario Mauro Verteidigungsminister.
Die Ernennung der aus dem Kongo gebürtigen Ärztin Cécile Kyenge zur Integrationsministerin stieß bei der Lega Nord auf Protest. Die aus Deutschland stammende Kanu-Olympiasiegerin Josefa Idem wird als Frauenministerin auch für Sport zuständig sein.
Viele Katholiken
Hoch ist im Kabinett der Anteil der Katholiken aus beiden politischen Lagern. Der Partito Democratico ist nach den jüngsten Turbulenzen mit keinen Spitzenexponenten vertreten, ein Understatement, das der zerrissenen Partei den Einstieg in die unerwünschte Koalition verdaulicher gestalten soll.
Dennoch wird damit gerechnet, dass einige Dutzend Abgeordnete beim Vertrauensvotum heute, Montag, gegen Lettas Kabinett stimmen. Die Parteibasis rebelliert gegen das Bündnis mit dem PdL. Die Zeitung Il Fatto Quotidiano sprach am Sonntag von einem "Betrug an acht Millionen Wählern des Partito Democratico, die an Berlusconi verkauft wurden".
La Stampa beurteilte das Kabinett weitgehend positiv: "Die neuen Gesichter können nicht für das Versagen der bisherigen Politik verantwortlich gemacht werden und werden daher nach ihren Leistungen beurteilt werden - sicher ein Vorteil."
Schießerei vor Regierungspalast
Die neue Ministerriege legte am Sonntag vor Napolitano ihren Amtseid ab. Anschließend trat sie zu ihrer ersten Sitzung zusammen, bei der Mario Monti seinem um 24 Jahre jüngeren Nachfolger die Amtsgeschäfte übergab. Das Vertrauensvotum soll am Montag nach Lettas Regierungserklärung erfolgen.
Der Amtsantritt wurde durch eine Schießerei vor dem Regierungspalast überschattet. Kurz vor der Kabinettsitzung eröffnete ein Mann mit einer Kleinkaliberpistole das Feuer auf Carabinieri am Eingang des Chigi-Palastes. Zwei Beamte und eine Passantin wurden verletzt. Der 49-jährige, aus Kalabrien stammende Täter wurde ebenfalls verletzt und verhaftet. Er soll gesagt haben, er habe auf Politiker schießen wollen. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 29.4.2013)