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Das "Memorial Gusen" wurde zwischen 1961 und 1965 von der Mailänder Architektengruppe BBPR über den erhalten gebliebenen Resten des Krematoriums des Konzentrationslagers Gusen I errichtet.

Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Mauthausen - "Selbstbewusstseinsregion" steht mit großen Buchstaben und in knallig roter Schrift auf einem der vielen Plakatständer, die in der Mehrzweckhalle Donausaal stehen. Es ist das Ziel vieler hier in der Bevölkerung - und eine beinahe tägliche Herausforderung: selbstbewusst leben in einer Region, in der die Schatten der Vergangenheit oft viel Licht nehmen. Orte des beständigen Mahnens. Es ist das Leben in Mauthausen, St. Georgen an der Gusen und Langenstein.

Die Gemeinden eint die Geschichte -im Speziellen der schwierige Umgang mit der NS-Vergangenheit. Neben dem KZ Mauthausen befanden sich in Langenstein die Konzentrationslager Gusen I und Gusen II und in St. Georgen die Stollen des Nazi-Projekts "Bergkristall", einer der größten unterirdischen Rüstungsfabriken des Dritten Reichs.

Gedenken ohne Bevölkerung

Tausende Menschen werden daher auch heuer wieder am 5. Mai zu den Befreiungsfeiern in die Region strömen. Es ist ein Tag im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen, an dem sich Österreich ganz bewusst international als geschichtsbewusstes Land zeigt - und ein Tag, der für die Menschen aus den umliegenden Orten besonders schwierig ist.

"Die Bevölkerung ist zu wenig involviert und fühlt sich nicht eingeladen. Und für viele ist die Haltung mancher Besucher unerträglich, in ihnen die Nachfahren der Täter zu sehen", erzählt Mauthausens Bürgermeister Thomas Punkenhofer (SP) im Gespräch mit dem Standard. Man lebe an einem "stigmatisierten Ort". Punkenhofer: "Die Menschen hier können sich weniger als die übrige Bevölkerung Österreichs der Wohltat des Vergessens erfreuen." Dieser Problematik haben sich die drei Gemeinden nun vor gut einem halben Jahr angenommen und das Projekt " Bewusstseinsregion - Raum des Gedenkens und Lernens" ins Leben gerufen.

Kern ist eine Bürgerbeteiligung. Per Zufall wurden 90 Bewohner aus den drei Orten ausgewählt, die dann als Bürgerräte in moderierten " Ideenwerkstätten" die Situationen der Gemeinden und den Umgang mit dem schweren Erbe erörterten. Parallel dazu wurden sogenannte Fokusgruppen gebildet, in denen externe Experten - Wirtschaftstreibende, Vertreter des Bundesdenkmalamtes, Historiker sowie Verantwortliche aus den Opferverbänden - ihre Überlegungen zu einer neuen, regionalen Gedenkkultur beisteuerten. Am vergangenen Freitag wurden nun nach einer gut halbjährigen Arbeitsphase in Mauthausen erste Ergebnisse präsentiert.

Keine Grill-Fotos

Entstanden ist eine erstaunlich große Zahl an ganz unterschiedlichen Ideen, einerseits für eine aktive Beteiligung der Bevölkerung am Gedenken, andererseits für eine Stärkung der Region an sich: die Schaffung einer Jugendbegegnungsstätte in der Region, ein "Weg der Werte" durch die Gedenklandschaft, vermehrt Gedenkdiener aus der Region, das Projekt "Be a guide" (Menschen aus der Bevölkerung begleiten Gäste) oder einmal jährlich ein "Alpbach der Menschenrechte" sowie eine eigene Rosensorte "Rose des Respekts". Angeregt wird auch, durch die Schaffung von Übernachtungsmöglichkeiten in der Region Gedenk-Gäste zu einem Kurzurlaub zu animieren.

Im Ideenprotokoll finden sich aber auch kleinere Alltagsprobleme: parken auf Privatgrund, Müll im Straßengraben und "Bitte nicht beim Grillen fotografieren".

Projektleiter Alfred Zauner, Jurist und gebürtiger Oberösterreicher, ist beeindruckt: "All die Ideen sind hier entstanden, niemand hat von außen ein Konzept über die Region gestülpt."

In einem nächsten Schritt wird jetzt von den drei Orten ein Gemeindeverband gegründet. Mit dieser Trägerorganisation soll es gelingen, die besten Bürger-Ideen auch tatsächlich umzusetzen. In der Bevölkerung gibt man sich vorsichtig optimistisch. "Vielleicht kommt ja einmal der Tag, an dem ich wieder sage, dass ich in Mauthausen lebe. Derzeit wohne ich nahe Linz - da schaut mich keiner schief an", lächelt ein junger Mann, der vor dem Donausaal steht. Sein Blick schweift die steilen Hügel hinauf - dorthin, wo in wenigen Tagen das offizielle Gedenken stattfindet. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 29.4.2013)