Eine junge Frau wird zusammen mit ihrem Kind binnen weniger Tage gleich zweimal entführt. Das erste Mal wird sie von der Polizei aus einer bekannten Rotlichtabsteige befreit, das zweite Mal rückt die Cobra aus, nachdem sie mit dem Handy um Hilfe rufen konnte.

Möglicherweise passiert ihr das wieder: Denn obwohl die ehemalige Prostituierte als Opfer in einem Prozess wegen Menschenhandels aussagt, wurde ihr bisher kein Polizeischutz zugesprochen. Das aktuelle Beispiel wirft ein Licht auf die Mankos im Opferschutz: Dass Österreich - wie übrigens 20 weitere EU-Länder - bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Menschenhandel säumig ist, ist vielleicht nur Formsache. Dass jedoch beim vorliegenden Gesetzesentwurf kein bundesweiter Standard für die Betreuung geschaffen wurde oder die einzige Einrichtung für minderjährige Opfer überquillt, ist eine Schande. Und dass dem Täter der "Vorsatz auf Ausbeutung" nachgewiesen werden muss, ist realitätsfern.

Weil sie oft nicht als Opfer erkannt werden, droht Betroffenen in Österreich und den meisten EU-Ländern, abgeschoben zu werden, bevor es überhaupt zu einer Verurteilung der Täter kommt. Zu Hause warten dann nicht selten böse Überraschungen. Bei Razzien im Rotlicht geht es meist weniger darum, die Hintermänner ausfindig zu machen, als fremdenrechtliche Kontrollen zu exerzieren. Mehr Verurteilungen kommen so nicht zustande. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 27./28.4.2013)