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Tschetscheninnendemo am Donnerstag vor der US-Botschaft in Wien.

Foto: APA/Punz

Wien – Im Innenministerium will man sich nicht auf Zahlen festlegen: Berichte, wonach in Syrien derzeit 60 Jihadisten aus Österreich auf der Seite der Gegner Präsident Baschar al-Assads mitkämpften, bestätigte Ministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Freitag nicht.

Aus diesen Worten sei jedoch keineswegs zu schließen, dass die Information über islamistische Syrien-Kämpfer mit österreichischem Hintergrund an sich falsch sei, heißt es dazu aus dem Verfassungsschutz. Vielmehr stünden auch in Österreich "mehrere 100 Muslime" unter Beobachtung, die "auf dem Weg einer Radikalisierung bis hin zur Kampfbereitschaft" seien.

Der Verfassungsschutz wisse, wer aus diesen Kreisen sich derzeit im Bürgerkriegsgebiet aufhalte. 60 Männer seien es nicht, sondern weit weniger – und zwar in erster Linie Syrer, die aus dem Exil heraus weiter in die Konflikte daheim involviert seien. Aber auch radikalisierte Tschetschenen seien derzeit in Syrien anzutreffen: Nach dem mutmaßlich von zwei Exiltschetschenen durchgeführten Anschlag auf den Marathon in Boston stehen sie im Mittelpunkt des Interesses.

Ob Syrer oder Tschetschenen, sie alle würden eine heterogen zusammengesetzte Gruppe von islamistischen Kämpfern ergänzen, "die von einem Konflikt zum anderen ziehen"  – meint dazu die Journalistin und Russland-Expertin Susanne Scholl. Beginnend mit den Kriegen in Afghanistan, über jene in Tschetschenien, im Irak, Libyen und jetzt in Syrien hätten diese den jeweils bestehenden "rechtsfreien Raum"  zur Verfolgung ihrer Ziele genutzt und täten das weiterhin. Beim Verfassungsschutz teilt man diese Einschätzung.

Um Mitkämpfer zu rekrutieren, hätten sich zum Beispiel "Wahabiten, die zum Teil aus Saudi-Arabien kamen"  im ersten Tschetschenienkrieg 1994 bis 1996 die Verzweiflung der Menschen angesichts des brutalen Vorgehens der russischen Soldaten zunutze gemacht, schildert Scholl. "Es fiel ihnen nicht schwer, Leute zu überzeugen" . Ähnliches habe sich  im  zweiten Tschetschenienkrieg von 1999 bis 2009 wiederholt – "und jetzt stehen einander in Tschetschenien der machterhaltende Islamismus Präsident Ramsan Kadyrows und jener von seinen Gegnern gegenüber. Säkulare Kräfte haben es dort jetzt schwer."

In der tschetschenischen Diaspora, also auch in Österreich, wirke all das fort. Mit dem Resultat, dass die meisten unter Beobachtung stehenden Islamisten in Österreich laut Verfassungsschutz aus der der hiesigen tschetschenischen Community kommen.

Gefährliche Predigten

Diese ist mit rund 25.000 Menschen im Europavergleich die größte – und nur einzelne ihrer Angehörigen sind Islamisten. Dennoch findet laut Verfassungsschutz etwa in Graz unter Tschetschenen islamistische Rekrutierung statt: "In einigen der dort 19 Moscheen wird unseren Erkenntnissen nach Bedenkliches gepredigt" . Und auch der offizielle Islamismus Kadyrows sei ein Einfallstor – weil auch für ihn der Islam allein als Messlatte herhalte. (Irene Brickner /DER STANDARD, 27.4.2013)