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Unter den Trümmern der eingestürzten Textilfabrik befinden sich noch immer Überlebende.

Foto: REUTERS/Andrew Biraj

Dhaka - Zwei Tage nach dem Einsturz eines maroden Fabriks- und Einkaufsgebäudes in Bangladesch haben die Helfer am Freitag noch Dutzende Überlebende in den Trümmern gefunden. "Die Suche geht weiter, solange noch jemand am Leben ist", sagte der Sprecher der Rettungskräfte, Shahinul Islam. Mehr als 2.000 Menschen wurden demnach aus den Überresten des "Rana Plaza" am Rande der Hauptstadt Dhaka gerettet. Mehr als 300 Leichen seien ausgegraben worden.

Viele weitere wurden noch immer in den Gebäudeüberresten vermutet. Tausende Textilarbeiter trauerten um ihre Kollegen und weigerten sich, zur Arbeit zu gehen. Stattdessen protestierten sie, zum Teil gewalttätig.

Mehr als 70 Menschen am Freitag lebend gefunden

"Bitte geht in das Gebäude, dort warten viele auf Hilfe", sagte ein Überlebender, als er von einem Rettungsteam aus dem Gebäude getragen wurde. Das einst acht Stockwerke hohe Haus, das jetzt in vielen Teilen auf zwei Etagen zusammengefallen ist, hätte sein Grab werden können. Doch Helfer von Armee, Feuerwehr, Zivilschutz, Polizei und Freiwillige graben seit zweieinhalb Tagen rund um die Uhr, um die Eingeschlossenen in Hohlräumen zu retten. Allein am Freitag fanden sie mehr als 70 Menschen lebend.

Schicht für Schicht bohrten sie sich durch die platt gedrückten Wände, sagte Major Touhiduzzaman gegenüber dem Nachrichtenportal "banglanews24". Noch immer könnten sie die Stimmen von Überlebenden im Inneren hören. Viele Helfer räumten in Flip-Flops und Sandalen große Betonblöcke zur Seite, andere bildeten Menschenketten, um Wasser und Essen sowie Taschenlampen zu reichen. Währenddessen weinten Angehörige am Rande des Trümmerfeldes und zeigten Fotos der Vermissten.

Zur Weiterarbeit gezwungen

Eigentlich wollten die Retter nach 72 Stunden aufhören, doch nun möchten sie mindestens bis Samstag weitergraben. Erst wenn es keine Lebenszeichen mehr gebe, rückten sie mit schwerem Gerät an, sagte Sprecher Islam. Ein TV-Team des "Channel 24" erzählte, dass die Retter sich oft nur kurz im Gebäude aufhalten könnten, da der Gestank der Toten bereits unerträglich sei.

Viele der Verstorbenen sind Textilarbeiterinnen, die in den oberen Stockwerken arbeiteten und am Mittwoch trotz Risse im Gebäude an ihre Nähmaschinen mussten. Angehörige wendeten sich mit Fotos und Telefonnummern an die Polizeistation im Gebiet Savar, wo am Freitag laut einem Sprecher bereits 500 Namen von Vermissten registriert waren.

Polizei mit Tränengas gegen Demonstranten

In zahlreichen anderen Textilfabriken in und um die Hauptstadt Dhaka musste die Produktion wegen Protesten von Tausenden Arbeitern eingestellt werden. Viele Besitzer hätten ihre Fabriken am Freitag geschlossen, nachdem die Textilarbeiter einige Unternehmer attackiert hätten, sagte Atiqul Islam, Präsident des Verbandes der Textilproduzenten und -exporteure in Bangladesch. Die Unternehmer beschlossen, die Fabriken auch am Samstag geschlossen zu halten.

Einige Demonstranten setzten zwei Textilfabriken in Brand, berichtete der "Daily Star" online. Andere versuchten, zur Unglücksstelle vorzudringen, wurden aber von der Polizei mit Tränengas und Gummigeschoßen zurückgedrängt. Tausende Menschen blockierten wichtige Straßen und gingen mit Bambusstöcken auf Autos los. Sie würden nicht zur Arbeit gehen, solange ihre Kollegen noch im Schuttberg vergraben liegen, sagten die Demonstranten.

Landesweiter Streik in Textilfabriken angekündigt

Eine Gemeinschaft aus acht Gewerkschaftsorganisationen verkündete für Sonntag einen landesweiten Streik in den Textilfabriken. Sie verlangten, die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Außerdem sollte es Entschädigungszahlungen geben und eine gute ärztliche Versorgung für die Überlebenden.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erklärte, der Einsturz zeige, wie dringend in Bangladesch die Sicherheitsmaßnahmen für die Arbeiter verbessert werden müssten. "Angesichts der langen Liste von toten Arbeitern in Fabriken war diese Tragödie vorhersehbar", sagte laut Mitteilung Brad Adams, Asiendirektor von HRW. Das Kontrollsystem müsse grundlegend verändert werden, außerdem sollten die Arbeiter mehr Rechte bekommen, um sich gewerkschaftlich zu organisieren. (APA, 26.4.2013)