Nun haben es die "Werte" auch in den Fragenkatalog für den neuen Staatsbürgerschaftstest geschafft. Statt Geschichtswissen ("Wann wurde die Zweite Türkenbelagerung Wiens abgewehrt, lieber Herr Üzgür?") werden nun - indirekt - Einstellungen abgefragt. Die Zuwanderer, oft aus autoritären oder patriarchalischen Gesellschaften, sollen nun bekanntgeben, ob ihrer Meinung nach die Menschenwürde "von der Staatsbürgerschaft abhängig ist" oder für alle gilt.

Das ist, soweit man den Fragebogen beurteilen kann, den Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz nun vorgestellt hat, durchaus richtiger und realistischer. Denn ob jemand in einer westlich-demokratisch-liberalen Gesellschaft auch innerlich angekommen ist, hängt mehr von inneren Einstellungen ab als davon, ob er weiß, was das Privilegium maius war.

Ob einer die Staatsbürgerschaft "verdient", hängt vielleicht eher damit zusammen, ob er sich weigert, mit der Lehrerin seines Sohnes in der Volksschule oder mit der Ärztin/Schwester in der Notaufnahme zivilisiert zu reden und auf sie zu hören, weil das Frauen sind (kommt laufend vor). Es hat auch lange gedauert, bis die (meisten) autochthonen Österreicher zu zeitgemäßen Einstellungen zu Demokratie, Menschen- und Frauenrechten etc. gefunden haben. Aber gerade deshalb sollten wir darauf achten, dass die neuen Österreicher die "Werte", die wir uns mühsam erarbeitet haben, auch teilen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 26.4.2013)