Wien - Nach dem ORF-Redakteursrat nehmen nun auch die Experten aus der von Bundeskanzler Werner Fayman einberufenen "Arbeitsgruppe ORF-Reform" die Politik in die Pflicht, um die versprochene Gesetzesreform noch vor der Wahl umzusetzen. Kurt Bergmann, Peter Huemer und Fritz Wendl erinnerten Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger in einem offenen Brief am Mittwoch an ihre Versprechen, mit denen sie vor genau einem Jahr eine "gewaltige Reform" in Aussicht gestellt hatten - bis dato gebe es aber noch nicht einmal einen Entwurf zur Gesetzesänderung.

Reform der ORF-Gremien

Derzeit sieht es auch nicht danach aus, dass es noch vor der Wahl eine Reform etwa der ORF-Gremien geben werde. Auch nach einem Jahr Arbeitsgruppe liegen die Auffassungen der Parteien über die Zusammensetzung der Gremien noch weit auseinander, auch konnte man sich auf kein überzeugendes Modell zur Beschickung der Gremien einigen, heißt es aus regierungsnahen Kreisen. Für die Neuaufstellung der ORF-Gremien strebt die Regierung allerdings einen "möglichst breiten Konsens" an, wie Medienstaatssekretär Josef Ostermayer im vergangenen Mai sagte. Im Jänner gab er sich allerdings noch optimistisch, dass dies bis zur Wahl möglich sei.

Reparatur

Eine kleine Gremienreform steht jedenfalls spätestens 2014 an, wenn im März 2014 die Funktionsperiode des ORF-Publikumsrats endet. Der Verfassungsgerichtshof hatte 2011 entschieden, dass die Faxwahl von sechs aus 36 Publikumsräten verfassungswidrig ist. Dies müsste also im Gesetz repariert werden, weshalb die drei Mitglieder der Arbeitsgruppe gleich fordern, dass Bundes- und Vizekanzler "dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts den Auftrag erteilen, im Sinne der in der 'Arbeitsgruppe ORF-Reform' präsentierten und diskutierten Vorschläge einen Gesetzesentwurf zu erstellen, der noch vor dem Sommer dem Parlament zur Beschlussfassung vorliegen könnte".

Weiters fordern Bergmann, Huemer und Wendl die Regierung auf, das angekündigte Ende der Gebührenrefundierung zu revidieren. Dafür, dass das Thema Haushaltsabgabe erst in der nächsten Legislaturperiode behandelt wird, haben sie indes Verständnis. (APA, 24.4.2013)

Der Brief im Wortlaut

"Offener Brief an die Bundesregierung:

ORF-Reform: Versprechen einlösen!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Werner Faymann, sehr geehrter Herr Vizekanzler Michael Spindelegger,

in einem exakt heute vor einem Jahr im "Kurier" erschienenen Interview haben Sie, Herr Bundeskanzler festgestellt, "die Österreicher wollen in erster Linie einen unabhängigen ORF" und dazu, wie diesem Wunsch einer breitesten Öffentlichkeit entsprochen werden sollte, sagten Sie, "der unübersichtliche Stiftungsrat muss ein ordentlicher Aufsichtsrat werden. Da brauchen wir hoch qualifizierte Leute...Ich möchte klare Vorschläge so schnell wie möglich...Das werden wir wohl zustande bringen."

Sie, Herr Vizekanzler, waren von dieser Initiative sehr angetan und betonten nach dem Ministerrat Ihre Absicht, durch eine „gewaltige Reform" den ORF neu zu organisieren und erklärten wörtlich, "ich will die Verhandlungen noch möglichst heuer (2012 Anm.) abschließen, damit es noch in dieser Legislaturperiode ein neues ORF  Gesetz gibt."

Nachdem nun ein Jahr vergangen ist, gibt es nicht nur noch immer keine „gewaltige Reform", sondern es liegt nicht einmal der Entwurf einer entsprechenden Gesetzesänderung vor.

Die unter dem Vorsitz von Staatsekretär Josef Ostermayer gebildete „Arbeitsgruppe ORF-Reform", der die Mediensprecher der im Parlament vertretenen Parteien, darunter auch die Klubobmänner von SPÖ und ÖVP und die drei Unterzeichner dieses "offenen Briefes" angehören, hat in mehreren Sitzungen erkennen lassen, dass es ein Leichtes wäre, die vor einem Jahr gesteckten Ziele der Bundesregierung noch vor den nächsten Nationalratswahlen im Herbst zu erreichen.

Konkret zeigte sich  bei den äußerstsachlichen Diskussionen, zu denen auch sehr kompetente Referenten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich zugezogen wurden, dass für die Umsetzung der längst überfälligen Gesetzesänderungen durchaus parlamentarische Mehrheiten gefunden werden können.

Auch die Aufhebung der sogenannten Faxwahl zum ORF-Publikumsrat durch den Verfassungsgerichtshof macht eine baldige gesetzliche Neuregelung der Zusammensetzung der ORF-Gremien notwendig. Es erscheint  uns daher zielführend ihrerseits dem Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes den Auftrag zu erteilen, im Sinne der in der  "Arbeitsgruppe ORF-Reform" präsentierten und dikutierten Vorschläge einen Gesetzesentwurf zu erstellen, der noch vor dem Sommer dem Parlament zur Beschlussfassung vorliegen könnte.

Dass Sie die Frage einer künftigen Haushalts/Medienabgabe, wegen ihrer Komplexität erst in der nächsten Legislaturperiode behandeln wollen, verstehen wir durchaus. Als von Ihnen in die "Arbeitsgruppe ORF-Reform" bestellte Experten müssen wir aber eindringlich davor warnen, dem ORF die ihm zustehende Refundierung der Gebührenbefreiungen ab nun zu verweigern und ersuchen Sie, die in den letzten Tagen publizierte Ablehnung zu revidieren.

Sollte die von Ihnen vor einem Jahr angekündigte "gewaltige Reform" des ORF gelingen, dann würden erstmals die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um die in der Bundesverfassung dem ORF garantierte politische, programmliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit auch tatsächlich verwirklichen zu können.

Um das zu erreichen, sind im Wesentlichen die folgenden fünf Punkte zu erfüllen, die auch den gestern präsentierten detaillierten Vorschlägen der ORF-Journalistinnen und –Journalisten entsprechen:

  • Reform des Stiftungsrates durch die Berufung von unabhängigen, ausgewiesenen Fachleuten sowie durch eine Verkleinerung des Gremiums von 35 auf 15 Mitglieder.
  • Transparente Bestellung der Stiftungsräte durch a) den Bundespräsidenten, oder b) den Hauptausschuss des Nationalrates mit 2/3 Mehrheit  oder c) durch eine eigene Findungskommission.
  • Reform des Publikumsrates durch Aufwertung zum Rundfunkrat mit Erweiterung der Kompetenzen bei der Überwachung des öffentlich rechtlichen Auftrags und bei der mittleren und längerfristigen Programmplanung.
  • Ausbau des Föderalismus durch mehr Eigenständigkeit der neun Landesstudios, sowie durch Erweiterung von deren Anteils am regionalen und nationalen Fernsehprogramm.
  • Reform der Finanzierung durch Umstieg von der derzeitigen Gebührenfinanzierung auf eine wertgesicherte Haushalts/Medienabgabe.

Hochachtungsvoll

Kurt Bergmann, Peter Huemer, Fritz Wendl (Mitglieder der "Arbeitsgruppe ORF-Reform" im Bundeskanzleramt)"