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Im Kern ging es in der Debatte weniger um die Rechte Homosexueller als um Tradition.

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Wasserwerfer und behelmte Bereitschaftspolizisten riegelten am Dienstag den Palais Bourbon ab, wo 577 Abgeordnete nach wochenlangen Debatten endlich zur feierlichen Abstimmung schritten. Wegen der rot-grünen Mehrheit war der Ausgang klar: Das Heirats- und Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare wurde mit 331 Stimmen der Grünen, Kommunisten und der meisten Sozialisten angenommen, 225 Abgeordnete stimmten dagegen.

Seit Jahresbeginn hatten Hunderttausende dagegen demonstriert. Die Parlamentsdebatte wurde immer angespannter; fast kam es zu Schlägereien. UMP-Abgeordnete kündigten eine Beschwerde beim Verfassungshof an.

In den letzten Wochen hatte die Debatte ganz im Zeichen eines Rededuells gestanden. In der Nationalversammlung verteidigte Justizministerin Christiane Taubira das Projekt. Die aus Französisch-Guyana stammende Politikerin gewann die Schlacht mit ihrem äußerst entschlossenen und bisweilen humorvollen Auftreten.

"Warum seid ihr eigentlich dagegen?", rief sie einmal der geballten Front der von ihren Sitzen aufgesprungenen UMP-Männern entgegen. "Die Ehe von Homosexuellen nimmt den Heterosexuellen doch gar nichts weg!"

"Demo für alle"

Auf der Gegenseite trommelte Frigide Barjot, eine katholische Komikerin mit dem verballhornten Namen von Brigitte Bardot, bis zu einer Million Gegner zusammen. Poppig in Rosa und in Lederjacke gekleidet, riet sie den Demonstranten von züchtigen Kopftüchern und Rosenkränzen ab, damit die Bewegung "manif pour tous" (Demo für alle) einigermaßen modern wirke.

Bei der letzten Großkundgebung am Sonntag marschierten Abgeordnete der bürgerlichen UMP neben dem Staranwalt Gilbert Collard, einem der zwei Abgeordneten des Front National. Dieser Schulterschluss der Rechten war für Frankreich ein Novum, das UMP-Präsident Jean-François Copé sogleich verurteilte.

Dass es überhaupt zu dieser rechtslastigen Union kam, ist bezeichnend. Denn das Projekt der "mariage pour tous" (Ehe für alle) hat in Frankreich einen alten Kulturkampf neu belebt: Zum Thema Homo-Ehe duelliert sich traditionell das katholisch-konservative Frankreich mit dem laizistisch-republikanischen Frankreich. Diese Spaltung der Nation geht sogar bis auf die Revolution von 1789, auf die Dreyfus-Affäre und die Trennung von Kirche und Staat von 1905 zurück.

Sie hat in Frankreich so tiefe Wurzeln, dass die Debatte über die Homo-Ehe öfters den Eindruck erweckte, dass es den Gegnern kaum um die Einschränkung der Rechte der Schwulen und Lesben ging, sondern darum, den Verfall der kirchlichen Werte und insbesondere der Institution Ehe aufzuhalten.

In Frankreich wird heute jede zweite Ehe geschieden - und dafür können Homosexuelle nun wirklich nichts. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 24.4.2013)