Bild nicht mehr verfügbar.

Für die Gesundheit heißt es auf dem Schild: Einer der zahlreichen Proteste (in diesem Fall gegen Sparmaßnahmen im Gesundheitssektor) gegen die Austeritätspolitik in Spanien.

Foto: Reuters/Medina

Bild nicht mehr verfügbar.

Für die EU-Granden (im Bild Kommissionspräsident Barroso (li.) und Ratspräsident Herman Van Rompuy) gab es lange nur eine Richtung in der Krisenpolitik.

Foto: Reuters/Vidal

Über den Sparkurs wird in Europa seit geraumer Zeit gestritten. Regelrechte Grabenkämpfe löste die Sparpolitik etwa unter Deutschlands bekanntesten Ökonomen im Sommer vergangenen Jahres aus. Dass die zuweilen rigiden Sparbemühungen die Eurozone aus der Krise führen, wird immer stärker bezweifelt. Runter mit den Ausgaben, runter mit den Pensionen, runter mit den Sozialleistungen, Streichen bei der Zahl der Staatsbediensteten, Knabbern an Löhnen und Mindestlöhnen, rauf mit Steuern und Abgaben: Das Konzept hat nicht nur bei den Bürgern der am meisten betroffenen Krisenstaaten ausgedient. Auch die Italiener haben die Politik ihres obersten Sparmeisters Mario Monti jüngst abgewählt.

Grenze erreicht

Während in Italien noch keine Regierung steht, setzt in Frankreich der Widerstand gar auf höchster Ebene an: Staatspräsident François Hollande beschloss, das Sparkorsett zu ignorieren, das der Fiskalpakt vorschreibt. Griechenland wiederum hält sich im Großen und Ganzen an die Sparauflagen der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), manche Vorgaben werden aber nicht erfüllt.

So scheint es folgerichtig, dass die EU-Spitzen nun einlenken und nachvollziehen, was in der Praxis ohnedies längst geschieht. Die propagierte alternativlose Sparpolitik scheint so alternativlos nicht mehr zu sein. Die harte Sparpolitik sei an ihre Grenzen angelangt, meinte etwa EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Montag in Brüssel: "Ich halte diese Politik für grundsätzlich richtig, aber ich denke, sie hat ihre Grenzen erreicht." Ähnlich der Wunsch des Währungskommissars Olli Rehn, der "mehr Flexibilität" bei den Sparplänen fordert.

Kein schmerzfreier Ausweg

Diese Äußerungen für bare Münze zu nehmen, davor warnt aber der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Christian Keuschnigg, im Gespräch mit derStandard.at: "Einen schmerzfreien Ausweg aus der Krise gibt es nicht." Keuschnigg ortet vorwiegend ein politisches Bekenntnis der Kommission, dass auf die schwierige Situation der Krisenländer Rücksicht genommen werde. Zu sparen, ohne die kurzfristigen Folgen für Konjunktur und Arbeitsmarkt zu beachten, funktioniere in der Regel nicht, gibt auch Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), im Gespräch mit derStandard.at zu bedenken. Man habe zudem Verteilungseffekte zu wenig beachtet. Möglich, dass man das in Brüssel nun auch so sieht.

Barrosos Äußerungen fielen nach der Präsentation der 2012er Defizitzahlen der EU-Staaten, die eine klare Verfehlung der Budgetziele Frankreichs und Spaniens zeigten. Ähnlich dem Jo-Jo-Effekt bei einer Diät neigen viele Staaten nach anfänglichen harten Einschnitten wieder zu mehr Schulden.

Keine pauschalen Aufweichungen

Der Grund dafür könnte im Fehlen sinnvollen Sparens liegen. Wifo-Chef Aiginger etwa vermisst eine Doppelstrategie bei Sparplänen. Nötige Einsparungen in der Verwaltung müssten mit Zukunftsinvestitionen begleitet werden, um ein Abwürgen der Konjunktur zur verhindern. Ohne diese "Aktivkomponente" gehe es nicht.

Dass die von der Troika ausverhandelten Rettungspakete für Griechenland, Zypern oder Irland nun pauschal aufgeschnürt werden, scheint aber ohnehin unwahrscheinlich. "Es gibt keine Generalvollmacht, die Ziele für alle Programmländer zu verlängern, das wäre auch nicht im Sinne der Maastricht-Kriterien", heißt es aus dem Finanzministerium. Sollte die Troika Anpassungsbedarf sehen, werde das aber "unter den Ministern zu diskutieren sein – von Einzelfall zu Einzelfall".

Vermögensvernichtung droht

Flexibel bei der Krisenbekämpfung sind nur die ohnehin starken EU-Staaten. Für die Krisenländer sieht IHS-Chef Keuschnigg auch in Zukunft nicht viel mehr Spielraum. Auch wenn in Ländern wie Griechenland und Spanien Reformfortschritte nicht zu übersehen seien, die Schuldenlast sei keineswegs tragfähig. "Die Anstrengungen sind leider notwendig, um die Länder von der Abhängigkeit der Finanzierung zu befreien", sagte Keuschnigg zu derStandard.at. Gebe man ihnen mehr Zeit zur Rückzahlung der Kredite, dann steige auch die Wahrscheinlichkeit für weitere Schuldenschnitte. "Und das wäre tatsächlich eine Vermögensvernichtung", betont der Ökonom.

Mehr Zeit für die Rückzahlung der Hilfskredite und dabei auch noch laxe Budgetziele, dieses Szenario dürfte der auf Geldwertstabilität bedachten EZB nicht gefallen. Direktoriumsmitglied Jens Weidmann, zugleich Präsident der deutschen Bundesbank, warnt vor einer Abkehr von der Austeritätspolitik und fordert im Rahmen der G20 verbindliche Budgetziele. Staatsverschuldung sei nicht förderlich für das Wirtschaftswachstum.

Wifo will aktivere EZB

Mehr als nur mahnen, das erwartet sich allerdings Wifo-Chef Aiginger von der EZB. Diese müsse die Zinsunterschiede bei Staatsanleihen zwischen den Euroländern ausgleichen und wie die amerikanische Federal Reserve und die japanische Notenbank auf Expansion setzen. Es sei kontraproduktiv, dass Länder wie Deutschland und Österreich sich zu Niedrigstzinsen verschulden, während Unternehmen in den Krisenländern der hohen Zinsen wegen keinen Kredit aufnehmen können. Da das vor allem die in diesen Ländern starken Klein- und Mittelbetriebe betrifft, bleibt der Aufschwung fraglich.

Dabei wäre gerade dieser sehr wichtig. Denn während die Weltwirtschaft in diesem Jahr nach IWF-Berechnung um 3,3 Prozent wachsen soll, schrumpft die Wirtschaftsleistung in der Eurozone um 0,3 Prozent. (Regina Bruckner/Hermann Sussitz, derStandard.at, 23.4.2013)