Simon Colton vor einem Bild seiner kreativen KI ThePaintingFool

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Eines der ersten Spiele, die das Programm Angelina selbstständig entwarf.

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Im nächsten Schritt können nicht nur eigenständig Spielwelten- und Mechaniken entworfen, sondern auch Inhalte aus dem Internet einbezogen werden.

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Simon Colton bei den Tech Natives Vienna

Foto: Manfred Machacek

Bei der Erforschung künstlicher Intelligenz (KI) orientieren sich Wissenschaftler an den unterschiedlichsten Modellen. Während in der Robotik die Natur und die Anpassungsfähigkeit von Organismen zum Vorbild genommen werden, inspiriert Analysesysteme das assoziative Denken und die kontextsensitive Verknüpfung von Inhalten. Der britische Forscher Simon Colton sieht KI dann erreicht, wenn sie im Stande ist kreativ zu sein. Also Inhalte produzieren kann, die einzigartig sind und nicht nach festen Parametern entstanden sind. Vergangenen Montagabend gab Colton im rahmen der ersten Tech Natives Vienna-Veranstaltung Einblick in seine Projekte und in eine Zukunft, in der nicht mehr Menschen Software und Videospiele entwickeln werden, sondern Computerprogramme.

Anpassungsfähige Gegner

Colton, Dozent am Imperial College London im Bereich Computational Creativity, sieht in Computerprogrammen ein enormes kreatives Potenzial. Mediale Bekanntheit erlangte er bisher vor allem durch sein Projekt "The Painting Fool", in dem er eine autonom zu Werke schreitende Software entwickelte, die basierend auf realen Eindrücken Bilder malen kann. Das Besondere daran: Das Programm zeichnet nicht einfach bestehende Strukturen ab, sondern kreiert einzigartige Formen und Kompositionen.

Im Zuge seines Vortrags erklärte Colton, dass jedoch Videospiele die größte kreative Herausforderung für KI darstellen. Eine Erkenntnis, die er bereits im Jahr 2010 im Zuge der Branchenkonferenz Gameon verlautbarte und die mannigfachen Problemstellungen von interaktiver Unterhaltung aufzeigte. Bei aktuellen Computerspielen wird KI etwa vor allem mit dem Verhalten von virtuellen Gegenspielern assoziiert. Besonders ausgefeilte Computergegner bewegen sich nicht nur auf vordefinierten Pfaden, sondern passen ihr Verhalten auf das Geschehen an. Als Beispiel nennt der Wissenschaftler den Survival-Shooter "Left4Dead", der die Intensität der Zombie-Horden an den Fähigkeiten der menschlichen Spieler bemisst. In Zusammenarbeit mit Spielentwicklern will Colton künftige nicht nur anpassungsfähige Videospiel-KIs konzipieren, sondern auch Systeme, die vom Verhalten der Spieler lernen und gezielt die Fehler der menschlichen Kontrahenten ausnutzen. 

Die nächste Generation

Der nächste große Schritt sei hingegen nicht der partielle Einsatz von KI-Systemen, sondern die automatisierte Herstellung von Inhalten. "Die Videospiele von morgen werden von Software entwickelt", so Colton. Um seine These zu kräftigen zeigte der Forscher im Rahmen seiner Tech Natives-Präsentation ein Spiel, das ohne Eingriff eines Menschen designt wurde. Die Software "Angelina", an der Colton zusammen mit zwei weiteren Wissenschaftlern seit 2010 arbeitet, kreierte dabei nicht nur das Level des zugegebener Maßen noch recht simpel wirkenden Plattformers, sondern erdachte zudem selbstständig eine passende Spielmechanik - in diesem Fall die Umkehrung der Schwerkraft.

In einem weiteren Beispiel wurde ein KI-Programm vorgestellt, das dynamisch Inhalte wie Bilder, Texte oder Musik aus dem Internet in das Spiel einbeziehen kann. Im Werk "Hot Nato" nimmt Angelina beispielsweise Bezug auf einen Artikel über das Zusammentreffen von US-Präsident Barack Obama und Afghanistans Präsident Hamid Karzai "News sollten über Videospiele konsumiert werden, nicht über Zeitungen. Das ist so 21. Jahrhundert", scherzt Colton.

Noch Zeit für Menschen

Angst um ihre Jobs müssen Spieldesigner aber dennoch nicht haben. Zumindest vorerst. Bis hochqualitative Videospiele zur Gänze von intelligenten Programmen erstellt, geprüft (und vielleicht sogar gespielt) werden, würden noch viele Jahre vergehen. "In meiner aktiven Zeit werde ich es wahrscheinlich nicht mehr erleben", so der 40-jährige Wissenschaftler. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 23.4.2013)