Rangun - Die Europäische Union hat die schon seit einem Jahr ausgesetzten Sanktionen gegen Burma nun auch offiziell aufgehoben - ungeachtet neuer Vorwürfe gegen die Regierung des Landes wegen angeblicher Verfolgung einer muslimischen Minderheit. Die EU-Außenminister beschlossen am Montag in Luxemburg, dass lediglich das Waffenembargo weiterhin in Kraft bleibt. Die EU begründete die Aufhebung der Sanktionen mit der Demokratisierung des Landes unter Präsident Thein Sein.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte die Entscheidung der Europäischen Union. Sie sei angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen verfrüht, sagte der stellvertretende HRW-Asiendirektor Phil Robertson. Die Organisation dokumentierte mindestens 211 Todesfälle im Zuge von ethnischen Säuberungen. Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya seien teils unter den Augen von Lokalbehörden und Sicherheitskräften getötet und in Massengräbern verscharrt worden.

125.000 Vertriebene

Mindestens 125.000 Menschen sind laut Human Rights Watch vertrieben worden. Sie dürften bis heute nicht zurückkehren und der Staat blockiere jede Hilfe für sie. Die BBC zeigte Polizeivideos, die im März in Meiktila in ZentralBurma aufgenommen worden waren. Darauf waren Polizisten zu sehen, die tatenlos zusehen, wie Muslime attackiert und in einem Fall in Brand gesetzt werden.

Ein Sprecher des Büros von Präsident Thein Sein wies den Bericht als einseitig zurück. "Wir interessieren uns dafür nicht", sagte Ye Htut. Die Regierung hat einen eigenen Bericht über die Vorgänge in Rakhine in Auftrag gegeben. Er sollte Dienstag veröffentlicht werden.

Nach dem Human-Rights-Watch-Bericht kam es vor allem im Juni und Oktober vergangenen Jahres zu Gewaltattacken gegen Muslime. "Während meist Mobs mit Waffen im Einsatz waren, haben mehrere Säulen der Sicherheitskräfte danebengestanden und sind nicht eingeschritten", heißt es darin. "Manchmal haben sie sich an den Gräueltaten beteiligt." Niemand sei zur Verantwortung gezogen worden.

Die Rohingya sind ethnisch mit den Völkern von Indien und Bangladesch verwandt. Sie leben teils seit Jahrhunderten in der Region an der Grenze zu Bangladesch. Das Gebiet von Rakhine wurde vor mehr als 200 Jahren von Burma annektiert. Schon unter der bis 2011 regierenden Militärjunta verweigerten die Behörden ihnen die Staatsangehörigkeit. Seit der Öffnung des Landes hat sich nichts daran geändert.

Die Bevölkerung Burmas ist zu fast 90 Prozent buddhistisch, gut vier Prozent sind Muslime. In Rakhine leben etwa 800.000 Rohingya. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen sind sie eine der meistverfolgten Minderheiten weltweit. (APA, 22.4.2013)