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"Kost und Logis" bedeutet manchmal nicht mehr als einen Container am Feld, wie hier in Italien. Dennoch verlangen Plantagenbesitzer bis zu 20 Prozent vom Lohn dafür.

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Gewerkschafter Federico Pacheco

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STANDARD: Beobachten Sie in Spanien ähnliche Vorfälle wie in Griechenland, wo dutzende Saisonarbeiter aus Bangladesch kürzlich angeschossen wurden?

Pacheco: Was in Griechenland passiert, ist sehr besorgniserregend. Auch in Spanien gibt es immer wieder rassistische Aktionen gegen Saisonarbeiter, viele haben Angst. Vor allem in Almería im Süden hat sich die Situation im Jahr 2000 extrem zugespitzt. Die Spannungen sind an die Oberfläche getreten; wir haben den Moment genützt und die Gewerkschaft für Landarbeiter ins Leben gerufen. Auch viele NGOs sind damals gekommen, um sich die Situation vor Ort anzusehen.

STANDARD: Von wie vielen Arbeitern gehen Sie derzeit aus?

Pacheco: Registriert sind in Almería, einer Stadt mit etwa 190.000 Einwohnern, rund 40.000 Arbeiter. Doch die Mehrheit ist ohne Papiere oder als Schwarzarbeiter im Land. Also schätzen wir, dass mehr als 120. 000 Migranten aus Afrika, Osteuropa und Lateinamerika dort arbeiten. Wegen der vielen Plantagen heißt die Region auch "Plastikmeer". Hier werden vor allem Tomaten, Paprika, Melanzani und Erdbeeren für Supermärkte in ganz Europa produziert.

STANDARD: Wie hoch sind die Löhne für Erntehelfer in Südspanien?

Pacheco: Theoretisch müsste jeder mindestens 45 Euro am Tag ausbezahlt bekommen. Doch in der Realität sind es maximal 30 bis 35 Euro am Tag. Oft werden von den Plantagen- und Firmenbesitzern noch 15 bis 20 Prozent für Kost und Logis abgezogen, die meisten Vorarbeiter schummeln bei den Arbeitsstunden im Vertrag und umgehen so die Mindestlöhne. Wie im Fall der Arbeiter in Griechenland kommt es oft vor, dass Löhne wochenlang gar nicht erst ausbezahlt werden.

STANDARD: Gibt es keine amtlichen Kontrollen?

Pacheco: Doch, aber nicht um die Arbeitsbedingungen zu überprüfen, sondern nur um Razzien durchzuführen und illegale Arbeiter auszuweisen. Die Behörden wissen natürlich um die Zustände, aber bei einer Arbeitslosigkeit von mehr als 30 Prozent ist eine Änderung nicht erwünscht. Volkswirtschaftlich betrachtet hängt die Region an der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte. Der Druck, Obst und Gemüse immer günstiger anzubieten, ist enorm - ein Kilo Tomaten war noch nie so billig wie heute. Gleichzeitig steigen die Nebenkosten. Wir setzen uns aber nicht für einen Boykott ein, sondern wollen faire Arbeitsbedingungen schaffen. Das kann nur über Druck der internationalen Märkte durchgesetzt werden.

STANDARD: Sie haben in Österreich Gespräche mit Spar geführt. Waren Sie erfolgreich?

Pacheco: Die Gespräche waren jedenfalls sehr gut! Wir haben gute Erfahrungen in der Schweiz vorzuweisen, wo die Supermarktkette Coop Produkte des spanischen Herstellers Bio Sol aus dem Angebot genommen hat, bis sich die Bedingungen für die Arbeiter verbessert haben. Bio heißt in vielen Fällen nämlich nur, dass auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet wird - nicht aber dass die Erntehelfer besser behandelt werden, als in der herkömmlichen Massenproduktion. Die Zertifizierungen werden oft von den Produzenten selbst beauftragt und sind deshalb nicht vertrauenswürdig. Wir fordern einheitliche und unabhängige Kontrollen. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 23.4.2013)