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Das Videomaterial war wichtig für die Ermittlungen, aufgrund der Bildqualität war Gesichtserkennung aber nur von geringer Hilfe.

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Eine der zwei Hauptverdächtigen für den Bombenanschlag auf den Boston City Marathon ist tot, der andere gefasst und schwerverletzt. Bei der Fahndung nach den beiden Brüdern kam eine Vielzahl verschiedener Technologien zum Einsatz. Schließlich wurde berichtet, dass automatische Gesichtserkennung bei der Auswertung eines Überwachungsvideos zum Erfolg geführt haben soll. Eine Theorie, die Bostons Polizeichef Edward Davis zurückweist.

Gesichtserkennung bei niedriger Bildqualität nicht einsetzbar

Obwohl es von beiden Tsarnaev-Brüdern Bilder in offiziellen Datenbanken gibt - Dzhokar hatte einen Führerschein des Bundesstaates Massachussetts, gegen Tamerlan liefen Ermittlungen des FBI – lieferte die Gesichtserkennung keine nützlichen Hinweise. In der Tat ist diese Technologie nur von mäßiger Bedeutung, wenn Merkmale von hochauflösenden Polizeifotos mit Smartphone-Schnappschüssen oder bröseligen Überwachungsaufnahmen verglichen wird, so ArsTechnica.

Nichtsdestotrotz wird das FBI wahrscheinlich nächstes Jahr ein umfassendes Gesichtserkennungssystem für das Western Identification Network ausrollen. Dieses besteht aus kalifornischen Polizeibehörden und Partnerinstitutionen aus acht westlichen Ländern.

400 Durchläufe

Den wichtigen Teil der Fahndungsarbeit erledigten die Beamten selbst bei der Auswertung des reichhaltigen Video- und Bildmaterials. Die Aufgabe der Sicherheitskräfte war es, aus den Aufnahmen das Verhalten und die Bewegungsmuster potenziell verdächtiger zu rekonstruieren.

Das ist, wie die Washington Post schreibt, mitunter eine sehr abstumpfende und eintönige Arbeit. In manchen Fällen mussten ein Beamter ein Filmsequenz 400 Mal hintereinander ansehen. Erst nach einigen Tagen konzentrierten sich die Ermittler zunehmend auf zwei Leute mit Baseballcaps, die zwar mit Rucksäcken den Ort des Geschehens betraten, aber ohne wieder gingen.

Kritik an "CSI Internet"

Wenig begeistert zeigen sich die Offiziellen über die Parallelermittlungen im Internet, wie sie etwa auf Reddit oder 4Chan stattfanden. Neben der Verbreitung falscher Theorien verkomplizierten die Hobby-Ermittler die offiziellen Untersuchungen, so dass man sich am Donnerstag nach der Tat dazu entschloss, Fotos der beiden Kappenträger zu veröffentlichen, um Unschuldige aus dem Schussfeld zu nehmen, hinter denen sich bereits ein Internetmob scharte.

Krankheit als Mitverursacher?

Mit einer gewagten Theorie lassen indes zwei Bostoner Forscher aufhorchen. Sie fordern eine spezielle Autopsie von Tamerlan Tsarnaev, um festzustellen, ob dieser an chronisch-traumatischer Enzephalopathie gelitten haben könnte. Tsarnaev war unter anderem Amateur-Boxer, CTE gilt als eine vor allem unter Boxern bekannte, krankhafte Veränderung des Gehirns, die launisches Verhalten und Gewalttätigkeit auslösen kann.

Die Mediziner warnen allerdings, dass eine Entdeckung von CTE nicht automatisch einen Zusammenhang mit extremistischem Verhalten bedeutet. "Ist es möglich, dass manche Veränderungen auf diese Hirnkrankheit zurückzuführen sind? Ja", meint Robert Stern, ein Mitgründer des Zentrums für CTE-Studien an der Boston University gegenüber dem Boston Globe. Dass CTE als Auslöser für ein durchgeplantes Attentat herangezogen werden kann, möchte er allerdings nicht in den Raum stellen. (red, derStandard.at, 22.04.2013)