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Zu Beginn der zweiten Auflage des Bawag-Prozesses hatte Wolfgang Flöttl noch eine Million Dollar flüssig. Er war "ohne Beschäftigung und ohne Einkommen".

Foto: apa/GEORG HOCHMUTH

Wien - Die Causa Bawag wird die Justiz noch länger beschäftigen. Vorige Woche wurde das Urteil gegen Ex-Vorstandsmitglied Peter Nakowitz auf unbedingte Haft (drei Jahre) verschärft; aus generalpräventiven Gründen. Zur Abschreckung also.

Die Freisprüche von Investor Wolfgang Flöttl und der "kleinen Vorstände" unter Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner sind dagegen noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft Wien studiert derzeit das 88 Seiten umfassende Urteil von Richter Christian Böhm und überlegt, ob es selbiges anfechten wird. Böhm hat das Verfahren "Bawag II" nach der Aufhebung des Ersturteils durch den Obersten Gerichtshof geführt.

Urteilsbegründung

Aus der schriftlichen Urteilsbegründung geht nun genau hervor, warum Flöttl ungeschoren davongekommen ist. Zur Erinnerung: Er war der Beihilfe zur Untreue angeklagt. Nachdem er schon 640 Millionen Dollar versenkt hatte, hat ihm die Bawag allein im Oktober 1998 weitere 330 Millionen Dollar zukommen lassen. Aber, so der Richter: Es konnte nicht festgestellt werden, dass Flöttl Bawag-Verantwortliche getäuscht habe. Und er habe keine "Gewissheit" darüber gehabt, dass die unmittelbaren Täter bei den Flöttl-Geschäften ihre Befugnisse missbraucht haben. Diese " Gewissheit" ist aber Voraussetzung der Strafbarkeit bei Beihilfe zur Untreue. Und nur dieses Delikts war Flöttl angeklagt.

Am Beispiel Überschreitung der Großveranlagungsgrenzen: Flöttl "war Investmentbanker in den USA und hatte keine näheren Berührungspunkte mit Großveranlagungsgrenzen und entwickelte daher kein diesbezügliches Problembewusstsein". Auch bei seinen hochspekulativen Deals habe Flöttl die Bank nicht getäuscht. "Investmentbanker ... sind bei der Wahl ihrer Investitionen und hinsichtlich des in Kauf genommenen Risikos völlig frei." Und dass die Bankchefs ihre Befugnisse überschritten, das hätte Flöttl laut Urteil nur wissen können, hätte ihn Elsner darüber informiert. Das hat Elsner aber nie behauptet: Im ersten Prozess hätte er sich damit selbst belastet. Und im zweiten (da war er schon verurteilt) entzog sich Elsner "unter Vorgabe gesundheitlicher Gründe" der Aussage.

Museum im Zollfreilager

Eine zentrale Rolle im Urteil spielt Flöttls Vermögen, besonders seine Gemäldesammlung, die er der Bawag nach dem "Totalverlust" 1998 zur Verwertung überlassen hat. Das von Vincent van Gogh gemalte Porträt Dr. Gachet hatte Flöttl damals schon zur Versteigerung freigegeben, es sollte 100 Millionen Dollar einspielen.

Juristisch geht es darum, ob die Banker im Oktober 1998 davon ausgehen durften, dass Föttls Vermögen 330 Mio. Dollar wert war. Tatsächlich war die Gemäldesammlung viel weniger wert: rund hundert Millionen Dollar. Das habe laut Urteil aber nur Elsner gewusst, bzw. er hätte es wissen müssen. Auch da sammelte Flöttl Punkte für seinen Freispruch. Er habe die Banker auch bezüglich seines Vermögens "nicht getäuscht". Elsner dagegen habe Flöttls Vermögen bankintern mit rund einer Milliarde Euro dargestellt; wider besseres Wissen. Laut Richter Böhm hat er sich "im Gegensatz zu den anderen Vorstandsmitgliedern näher für Kunst interessiert, insbesondere für Malerei". Zudem habe er die wesentlich niedrigeren Anschaffungswerte der 78 Bilder gekannt. Sie wurden 1999 verkauft.

Wertvolle Gemälde

Auch das Faktum, dass der in New York lebende Kunstfreak die Bilder in einem Depot am Zürcher Flughafen lagerte, findet im Bawag-II-Urteil Eingang. Dass Flöttl wertvollste Gemälde besaß, "mangels Betrachtungsmöglichkeit" aber "ohne praktischen oder spürbaren ideellen Nutzen daraus zu ziehen": Das allein durften die "kleinen" Bawag-Chefs pro Flöttls Bonität ins Kalkül ziehen.

Detail am Rande: Seine Bilder vermisst Flöttl noch heute schmerzhaft. Er wollte sie dereinst, so erzählte er einmal, nach Österreich bringen, um sie hier auszustellen. (Renate Graber, DER STANDARD, 22.4.2013)