Heinrich Schatzer (stehend) und sein Mechaniker Gerhard "Jupp" Kallinger im SVM-Café.
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Mattersburg - Heinrich Schatzer  ist immer noch ein Speedway-Crack, daran lässt er keinen Zweifel. Klar, mit seinen 60 Jahren wirft er sich nicht mehr waghalsig und mit 100 Stundenkilometern in die Kurvendrift der Aschenbahn. Aber er weiß immer noch genau, wie sich das anfühlt, der Kampf Motorrad gegen Motorrad in der extremen Querlage.

Dieses Wissen gibt der Wiener Neustädter nicht nur den wenigen Jungen mit, die das Speedway- Fieber gepackt hat wie einst ihn in den 1970ern. Heinrich Schatzer lässt jeden, der zuhören kann und will, teilhaben an seiner Bahn erfahrung, die er über Jahrzehnte gesammelt hat. Auf allen Rennovalen zwischen Natschbach, Buenos Aires und Mattersburg.

Ja ganz genau, Mattersburg. Dass der Standard Heinrich Schatzer hier trifft, ist kein Zufall. Das Pappelstadion war einst quasi eine einschlägige Kathedrale, verfügte über eine hochgelobte 400-m-Bahn. "1970 hat mich der Onkel einmal nach Mattersburg mitgenommen zum Länderkampf Österreich gegen die CSSR."

Seit diesem Erweckungserlebnis wusste er, woraus sein Leben in der Hauptsache zusammengesetzt sein sollte: Methanol, Öl und einem 500er Einzylinder. Kein Gang, keine Bremse, nur Speed. Und dieses ungeheure Feeling beim Kurveneingang. "Auf einer Bahn wie der in Mattersburg oder in Wiener Neustadt bist du auf einen Schnitt von über achtzig gekommen. In die Kurve gehst du da mit mehr als 100."

Publikumssport

In den 70er-Jahren ging Heinrich Schatzer in die Bahn. Es war das die Zeit, in der Speedway noch ein echter Publikumssport gewesen ist. "Zum Fußball", erzählt der Wiener Neustädter, "sind vielleicht 700 ins Neustädter Stadion gekommen. Zum Speedway aber, wenn ein WM-Lauf war, waren bis zu 8000 da."

Unter- und also Auskommen fand er beim Bundesheer, obwohl das an sich keine Motorsportler beherbergte. "Ich war geduldeter Sportler", also einer mit augenzwinkernder Absenzgenehmigung, die er den vorgesetzten Zwinkerern mit reichlich Erfolgen und unzähligen lobenden Erwähnungen in Funk, Fernsehen und Presse vergelten konnte. Die mediale Aufmerksamkeit war ja groß. Auch deshalb, weil Schatzer sich ordentlich zu matchen hatte. "Der Adi Funk war wahrscheinlich mein schärfster Rivale." Der andere war Toni Pilotto, mit dem er auch gemeinsam durch Europa getingelt ist.

Argentinischer Meister

Funk, Pilotto und Schatzer dominierten das Jahrzehnt zwischen 1980 und 1990, Schatzer war da viermal Staatsmeister, 1988 Motorsportler des Jahres. Dreimal war er im Kontinental-Finale, dreimal gar argentinischer Staatsmeister. "Aber ich bin auch in der polnischen, der tschechischen und der deutschen Liga gefahren, war auch in Russland." Unterwegs gewesen ist er im umgebauten Bus. Und immer mit dabei der  Mechaniker, Gerhard "Jupp" Kallinger, den Schatzer auch ins SVM-Café mitbringt.

"Das ist mein Aufpasser", stellt er den pensionierten ÖBB-Bediensteten vor und meint das nicht nur ironisch. Tatsächlich sei der Mechaniker einer der  wesentlichsten Bestandteile des Teams. "Das wichtigste Organ des Speedway-Fahrers ist der Hintern, mithilfe dieses Hinterns bringt der Mechaniker die optimale Einstellung auf die Bahn."

Beziehungsweise hat das getan. Denn Schatzer und Kallinger sprechen von ihrer aktiven Zeit. Das war die Vor-Telemetrie-Zeit. "Da hat es keine Computer gegeben, nur das Gefühl des Fahrers und das Können des Mechanikers."

14.000 Schilling

Das gilt für alle Motorsport-Disziplinen. Für das Speedway aber ganz besonders, weil es da nie Werkteams gab. "1975 hab ich mir die erste Maschine gekauft, um  damals 14.000 Schilling." Das war nicht billig, "aber leistbar". Der größte einschlägige Hersteller war stets Jawa, der tschechische Traditionsbetrieb. "Ich habe aber immer einen englischen Godden-Motor gehabt, nur der Rahmen war von Jawa."

In England, in Dänemark, in Polen vor allem gibt es noch so etwas wie Speeway-Begeisterung. In Österreich hat sich das im Wesentlichen aufgehört. "Die Grünen und die Vogelschützer haben uns aus den Stadtzentren vertrieben. Früher wurde ja auch oft im Prater-Stadion gefahren, unvorstellbar heute."

Heute gibt es noch da und dort ein paar Bahnen, in Natschbach-Loipersbach in der Buckligen Welt, im steirischen Mureck, in St. Johann im Pongau. So etwas wie die Schlackenbahn in Mattersburg, wo in den frühen Sechzigerjahren der Burgenländer Josef "Bubi" Bössner mit seinem  Mechaniker und späteren Landeshauptmann Karl Stix seine spektakulären Runden zog, gibt es allerdings nicht mehr. 2001 verschwand mit dem Umbau zur reinen Fußballarena die Bahn endgültig. "In Wiener Neustadt ist seit Stronach Schluss. Seither wird nicht mehr im Stadion gefahren."

Gebrochene Rippen

Heinrich Schatzer ist 2006 als Wachtmeister in der heereseigenen Bauabteilung in den Vorruhestand verabschiedet worden. Sein Leben fiel damit wieder ganz in die Speedway-Welt zurück, aber in eine ganz anders gewordene.

2008 kam Frank Stronach mit der ballesterischen Lizenz des  SC Schwanenstadt nach Wiener Neustadt. Die Speewayisten und also auch Nachwuchscoach Schatzer übersiedelten ins nahe Eggendorf. Am kommenden Sonntag findet dort - immerhin - der Speedway-Cup der Obersten Motorsportkommission statt.

Da wird diese Folge 49 längst schon eingeheftet sein in den dicken, gelben Ordner, den Schatzer mitgebracht hat ins SVM-Café. Und damit, glaubt er, "ist die Sammlung mit den Zeitungsausschnitten wohl abgeschlossen". Kann gut sein, er meinte gar nicht diesen Ordner, sondern den zum Speedway-Sport insgesamt. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 22.4.2013)