Wien - Als Jean de Brunhoffs Geschichte von Babar, dem kleinen Elefanten 1931 erstmals erschien, war die Welt für die Kolonialmacht Frankreich noch weitgehend in Ordnung. Das bezaubernde Büchlein erzählt die Geschichte eines kleinen Dickhäuters.
Zu Hause, in Nordafrika, genießt Babar die Annehmlichkeiten eines Rackers, der die Savanne als sein natürliches Spielzimmer begreift. Da wird ihm die Mama von einem "bösen Jäger" totgeschossen. Das verängstigte Rüsseltier galoppiert in die nächste Stadt. Dort sieht es sich mit den Segnungen der französischen Zivilisation konfrontiert. Eine alte Dame, die ein mitleidiges Herz besitzt, steckt ihm ihr Portemonnaie zu. Babar besucht unverzüglich das Kaufhaus, diese "Kathedrale des Kapitalismus" (Walter Benjamin).
Dort wird der Elefant in einen echten Monsieur verwandelt. Der Hut steht ihm gut, die Gamaschen kaschieren den Umfang seiner mächtigen Füße. Vor allem aber wird dem domestizierten Wilden etwas Lebensart beigebracht. Babar schläft ab nun im Federbett. Den Freunden seiner Gönnerin erzählt er, überlegen am Kamin lehnend, von "seinem Leben im Urwald". Babar hat es geschafft. Die Grande Nation stellt auch für ihre minderwertigen Bürger in Übersee ein kulturelles Ausbildungsprogramm zur Verfügung.
Der Dressurakt ist buchstäblich von Erfolg gekrönt. Babar kehrt heim und wird König. Bereits die Krönungsfeierlichkeiten mit Hermelin und Volkstanz verraten das Wissen um europäische Gebräuche. Interessanterweise gilt Autor de Brunhoff das republikanische Erbe Frankreichs nicht besonders viel. Die kolonialistische Perspektive lenkt die Erzählung: In dieser ist für Skrupel wenig Platz.
Die ursprünglich siebenbändige Babar-Serie bedient alle Vorurteile des Eurozentrismus. Das Rüsseltier muss seine Stellung als König gegen Nashörner, Menschenfresser (sic!) und Zirkusdirektoren behaupten. Die alte Pariser Freundin besucht ihren Schützling im Urwald und verbindet kriegsversehrten Elefanten die Wunden. Man könnte de Brunhoff als Kitschier belangen. Und doch gehören auch die Babar-Bücher in das postmoderne Kinderzimmer: Die Kleinen dürfen lernen, dass Dritte-Welt-Bewohner sich nur über Umwege ihr Recht als Weltbürger zu verschaffen wissen. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 20./21.4.2013)