London - Unter verschärfter Beobachtung stand Großbritannien bereits seit März. Nun hat auch die Ratingagentur Fitch Großbritannien die Bestnote der Kreditwürdigkeit entzogen. Die Agentur senkte am Freitagabend die Bewertung auf "AA+" von zuvor "AAA". Die Abwertung erfolge vor allem wegen der trüberen Ausblicke für die wirtschaftliche Entwicklung sowie die staatlichen Finanzen. Fitch erklärte, der Ausblick für das neue Rating sei stabil. Damit signalisierte die Agentur, dass das Land zunächst keine weitere Herunterstufung zu befürchten hat.
Ende Februar hatte die Agentur Moody's Großbritannien ebenfalls das Spitzenrating entzogen. Einzig bei Standard & Poor's (S&P) hat Großbritannien bisher noch immer die Bestnote "AAA" - aber auch hier wackelt die Bewertung, wie S&P erst Anfang April erklärte. S&P ging damals davon aus, dass die Regierung ihre Spar- und Reformmaßnahmen umsetzt und das Wirtschaftswachstum in der Eurozone wieder anzieht. Der Ratingriese erwartete, dass der Schuldenstand mit 95 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erst im Jahr 2016 seinen Höhepunkt erreichen wird.
Wachsender Schuldenberg
Die Finanzkrise und ihre Folgen haben die Verschuldung Großbritanniens so rasant ansteigen lassen wie in kaum einem anderen Land. Der Gesamtschuldenberg verdoppelte sich innerhalb von fünf Jahren auf rund 90 Prozent der Wirtschaftsleistung. Grund ist vor allem der riesige Finanzsektor des Landes. Dieser erforderte während der Krise zahlreiche enorm teure staatliche Rettungsaktionen und belastete zudem die gesamte Wirtschaft, die seitdem nie wieder richtig auf die Beine gekommen ist.
Ernste Lage
Die Lage ist also auch bei den Briten ernst. Großbritannien droht die dritte Rezession innerhalb von fünf Jahren. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging im vierten Quartal 2012 um 0,3 Prozent zurück, wie das Nationale Statistikamt Ende März mitteilte. Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe sank um 2,1 Prozent - das größte Minus seit Anfang 2009. Das ungewöhnlich kalte Winterwetter könnte die Konjunktur zusätzlich gedämpft haben, befürchten Experten.
Für Finanzminister George Osborne und seinen ungeliebten Sparkurs ist die Fitch-Entscheidung eine weitere Ohrfeige: Osborne hatte sein Amt 2010 mit dem Versprechen angetreten, das Spitzenrating zu verteidigen. Wie auch in Südeuropa tobt in Großbritannien ein heftiger Streit über die Frage, ob der Sparkurs der Regierung zu weit geht und damit einer Erholung von Wirtschaft und Staatsfinanzen im Wege steht. Das Finanzministerium erklärte, die Herabstufung sei eine Erinnerung daran, dass Großbritannien seinen Schuldenproblemen nicht davonlaufen könne. (APA/Reuters, red, derStandard.at, 19.4.2013)