Die großen Industriestaaten treten – in ungleichem Takt – auf derselben Stelle. Weder Europa noch Japan noch die USA haben bisher einen tauglichen Weg aus der Krise gefunden. Was niemanden davon abhält, unterstützt vom befreundeten Ökonomenlager, mit dem Finger auf die Mängel in der Wirtschaftspolitik des jeweils anderen zu zeigen.

Am stärksten steht derzeit Tokio in der Auslage: Die japanische Notenbank hat mit der Ankündigung einer Verdoppelung der ohnehin schon aufgeblähten Geldmenge viel Zündstoff geliefert. Der Yen befindet sich im Tiefflug, der Vorwurf der Währungsmanipulation wird immer lauter.

In den USA läuft die Notenpresse ebenfalls bereits verdächtig lange auf vollen Touren, ohne dass allzu große Fortschritte ersichtlich wären. Die zarten Anzeichen einer Konjunkturbelebung basieren eher auf billigem Schiefergas, das unabhängig von der ökologischen Beurteilung zu einer rasanten Reindustrialisierung führt, und der Stärke der US-Technologiegiganten.

Das Geld der Notenbank Fed sucht global nach Veranlagung und findet es in Sachwerten und Spekulationsobjekten. Während die Industriestaaten wirtschaftlich schwer zu kämpfen haben, bilden sich bereits wieder gefährliche Blasen – was vor allem in den Schwellenländern nicht nur Unmut, sondern zusehends Gegenmaßnahmen provoziert.

Die meisten Buhrufe erntet freilich Europa mit seinem Sparkurs. Beim Frühjahrstreffen von Weltbank und Währungsfonds wurde nebst Versäumnissen bei der Sanierung des Finanzsektors die restriktive Haltung der EZB und der öffentlichen Hände gebrandmarkt.

Die Eurozone hat beim globalen Wachstumswettbewerb den goldenen Bremsklotz seit Jahren gepachtet. Dass die Lösung der Haushaltsprobleme am alten Kontinent – im Unterschied zu Japan und den USA – nicht auf die lange Bank geschoben wird, zählt offenbar nicht. Das zeigt schon, wie stark Sichtweisen und Rüstzeug der ökonomischen Lager voneinander abweichen. Der Währungsfonds tut sich schwer, hier als ordnende Instanz zu fungieren. Die Notenbanken befänden sich in unbekannten Gewässern, konstatierte IWF-Chefin Christine Lagarde. Ähnliche Ratlosigkeit dokumentieren Äußerungen des Fonds, wonach eine Fortsetzung der lockeren Geldpolitik Risiken für die Zukunft berge, bei einem Ausstieg aber Kurssturz und Zinsanstieg drohten. Aha.

Wir lernen aus dem verunglückten Spagat zwischen den ideologischen Gräben: Im Vergleich zur Wirtschafts- und Geldpolitik ist das Orakel von Delphi ein offenes Buch. Dazu passen die gerade aufgeflogenen Fehlberechnungen in einer Studie der (bisher) angesehenen Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart, deren Untersuchungen die negative Wechselwirkung von Verschuldung und Wachstum unterstrichen. Die Excel-Panne der Wissenschafter ist Wasser auf die Mühlen jener, die den bedrohlich gewachsenen Schuldenberg trotz der alterungsbedingt explodierenden Kosten immer noch als vernachlässig_baren Hügel betrachten.

Dieser seit Jahren anhaltende ökonomische Blindflug verhindert koordinierte Maßnahmen für Wachstum und Regulierung sowie gegen neue Spekulationsblasen und Währungsstreitigkeiten. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen kommt die Industriewelt ebenso wenig wie die Ökonomenzunft wieder aus dem tiefen Tal der Tränen heraus. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 20.4.2013)