András Pálffy: "Ein Museum dient auch der Schaffung von städtischen Kulturräumen."

Foto: Jabornegg & Pálffy

Bis heute Inbegriff der Synergien von Stadt und Kultur: Das Guggenheim-Museum von Frank Gehry in  Bilbao.

Foto: David Heald / The Solomon R. Guggenheim Foundation, New York

In der Akademie der Künste in Berlin ist derzeit die Ausstellung "Kultur:Stadt" zu sehen, Pálffy hielt dort letztes Wochenende einen Vortrag.

STANDARD: Sie haben in Ihrem Vortrag in Berlin darüber gesprochen, wie architektonische Interventionen in kulturellem Auftrag auf Städte einwirken.

Pálffy: Ja, ich habe vor allem über den Museumsbegriff in seiner ganzen Entwicklung gesprochen. Das Thema Museum beginnt ja schon in der Renaissance. In diesem Sinne tragen diese Institutionen einen Bildungsauftrag in sich, der sehr weit zurückreicht. Heute allerdings haben Museen zum Teil ganz andere Aufgaben, wie etwa die Schaffung von städtischen Kulturräumen.

STANDARD:  Können Sie ein Beispiel für diese städtischen Kulturräume nennen?

Pálffy: Ich kann Ihnen gleich zwei nennen! Das eine ist das Centre Pompidou in Paris, bei dem sich die Architektur vom Artefakt vollkommen abgetrennt hat. Das war ein sehr kräftiger, symbolischer Schritt, der sehr gut aufgezeigt hat, in welchem Maß ein Museum ein städtischer Ort ist. Die zweite Entwicklung war das Guggenheim-Museum in Bilbao. Ich denke, das ist das womöglich wichtigste neuere Beispiel für "Entertainment" in der Architektur. Es beweist, dass man mit einem Museum auch Standortqualität erzeugen kann.

STANDARD:  Ist das Museum ein öffentlicher Ort?

Pálffy: Ja und nein. Sehr oft werden Museen heute nicht mehr von den knappen öffentlichen Kassen finanziert, sondern von Privaten. Das passiert immer häufiger. So kommt es beispielsweise, dass der französische Industrielle Pinault seine Sammlung in Venedig im Palazzo Grassi zeigt.

STANDARD:  Gibt es Parallelen zwischen den italienischen Bürgerstädten und den heutigen Metropolen, die in einer globalen Aufmerksamkeitskonkurrenz stehen?

Pálffy: Die gibt es zweifellos. Zurückzuführen ist das auf den Punkt der Wahrnehmung, auf Aspekte der Vermessbarkeit des eigenen Standortes. Ich habe in diesem Zusammenhang den Studiolo von Federico da Montefeltro gezeigt, ein architektonisches Meisterwerk aus Urbino, in dem der Humanismus sich als Intarsie abbildet, als ein Zitat in die Zukunft. Aber ein Stadtgefüge bleibt letztendlich immer das, was es ist. Es gibt Orte des Übergangs, es gibt Orte der Bewegung, und es gibt Orte des Privaten und des Öffentlichen. Daran wird sich meiner Meinung nach auch in Zukunft nichts fundamental ändern.

STANDARD:  Eines der Modelle in der Ausstellung ist die von Ihnen geplante Generali Foundation in Wien. Wie geht es Ihnen damit im Rückblick?

Pálffy: Die Generali Foundation fügt sich in eine sehr konkrete Umgebung ein. Durch die Reibungsflächen mit dem Umfeld entsteht erst die Signifikanz. Es ging damals nicht um den Versuch, eine Ikone zu entwickeln. Ganz im Gegenteil. Wir wollten neue Ideen ausprobieren, etwa in Hinsicht auf die Beleuchtung, die von anderen Firmen inzwischen sogar schon patentiert wurden. Die Generali ist nach wie vor ein Ort, der gut funktioniert und der eine beachtliche, international bewunderte Sammlung hat.

STANDARD:  Wenn man einen Nachmittag im Centre Pompidou, in der Tate Modern oder im Wiener MQ verbringt, könnte man meinen, der Kulturbegriff würde sich zunehmend vom Museum emanzipieren.

Pálffy: Nein, das glaube ich nicht. Ich sehe drei Tendenzen: Das eine ist, dass man zwei verschiedene Formen der Öffentlichkeit zusammenbringt und versucht, daraus einen Mehrwert zu generieren. Ein Beispiel dafür wäre das Guggenheim-Museum in Las Vegas. Da hat man versucht, ein paar van Goghs in eine Entertainment-Umgebung zu hängen. Auf diese Weise kommt man an neue Publikumsschichten heran. So ähnlich funktioniert das auch in Dubai. Das zweite Modell beruht darauf, dass ein Museum heute auch ein Ort des Aufenthalts ist. Das Themenspektrum wird kontinuierlich erweitert. Und es entstehen dabei Synergien. So gibt es mittlerweile Museen mit angeschlossenem Haubenrestaurant und Apple-Store. Und das dritte Moment ist, dass man die Institution Museum dazu benützt, einen Standort weiterzuentwickeln und eine gewisse Durchmischung zu schaffen. So gesehen dient Kultur als Motor für Quartiersentwicklung. Das ist wohl die größte Neuerung im Kulturbetrieb. Bilbao ist ein perfektes Beispiel dafür.

STANDARD:  Für den Durchgang durch die Berliner Ausstellung "Kultur:Stadt" muss man einen Tablet-Computer ausleihen. Gefällt Ihnen das?

Pálffy: Ich glaube und hoffe, dass Präsenzfragen dadurch nicht obsolet werden. Es mag zwar umfangreiche Formen des Zugangs geben, die das Netz in einer gewaltigen Bandbreite bietet. Aber das Zusammensuchen ist auch mit einem Aufwand verbunden. Das wird oft außer Acht gelassen. Die neuen Medien haben beachtliches Potenzial, Inhalte zu transportieren. In den alten Lebensbereichen hat das schon durchaus seinen Stellenwert gefunden. Doch nicht zuletzt werfen die neuen Medien Fragen zu Original und Kopie auf. Im Netz werden Sie überwiegend nur Kopien finden.    (Bert Rebhandl, Album, DER STANDARD, 20./21.4.2013)