Chaim Miller war Mitglied einer jüdischen Brigade, die im Sommer 1945 an Nazis Vergeltung übte.

Foto: ORF/3sat/Andreas Kuba

Wien - "Er suchte unmittelbare Gerechtigkeit", sagt Doron Rabinovici über die Motive des Chaim Miller. "Nach dem Kriegsende war es mein Bedürfnis, irgendwie Rache zu üben", sagt Miller heute. Er gehörte einer Brigade an, die Nazis nach Kriegsende hinrichteten, ein bisschen so wie in Quentin Tarantinos Film "Inglourious Basterds". Andreas Kuba erzählt die Geschichte des heute 91-Jährigen, einmal im Film "Killing Nazi" auf 3sat am 15. Mai, einmal mit Günter Kaindlstorfer für das Radiofeature "Special Agent Miller" aus der Ö1-Reihe Hörbilder am Samstag, 9.05 Uhr. Befriedigend seien die Vergeltungsschläge nicht gewesen, erinnert sich Miller, aber: "Bereut haben wir, dass wir nicht mehr gemacht haben."

Kindheit in Ottakring

Die Geschichte beginnt in Wien. Alfred Müller, Kind polnischer Juden, wächst in Ottakring auf, macht die Schlosserlehre und kommt so in Kontakt mit dem Zionismus. Die zionistische Jugendgruppe, in der sich der 17-Jährige engagiert, wird zum Ziel von Übergriffen. Anfang 1939 verlässt Müller das Reich Richtung Palästina. Die Eltern bleiben. Er sieht sie nie wieder. Mit einem Freund meldet er sich zur jüdischen Brigade, um mit der Waffe in der Hand gegen den Nationalsozialismus zu kämpfen.

1942 wurden 40 Juden aus Deutschland und Österreich zu einer streng geheimen Aktion zusammengerufen. In Haifa werden sie auf Nazi-Befehle trainiert: "Augen rechts! Augen links!"

Unmittelbar nach Kriegsende gelangt die Truppe im Friaul an eine Liste mit Namen von 700 Nazi-Verbrechern, die sich bereits in Sicherheit wähnten. In der Gegend rund um den Großglockner wird die Brigade fündig. Racheakte im Sommer 1945 folgen in Villach, Klagenfurt und Lienz. "Die englische Polizei ladet Sie ein zum Verhör", stellten sie sich vor und führten den Schuldigen ab. Das Verhör dauerte nie lange. "Im Allgemeinen haben die Leute nicht geleugnet", erzählt Miller. Das Urteil: Tod durch Kopfschuss. Insgesamt wurden in den ersten Monaten nach Ende des Krieges mehrere hundert SS- und Gestapo-Leute in geheimen Kommandoaktionen getötet. Oft, nicht immer waren jüdische Soldaten beteiligt.

In Film und Feature sucht er die zentralen Plätze seines Lebens auf, geht an seine Wirkungsstätten der Kindheit in Ottakring und der Jugend in Haifa.

Was Miller tat, war nicht Rache, sagt Rabinovici. Special Agent Chaim Miller wollte nicht nur Opfer sein. (Doris Priesching, DER STANDARD, 20./21.4.2013)