Was hilft Kindern bei ihrer schulischen Bildung und was schadet ihnen? – Dazu gibt es viele Studien. Eine die versucht in einer Meta-Metastudie Bildungserfolg zu analysieren, ist "Visible Learning" von John Hattie, die diese Tage unter dem Titel "Lernen sichtbar machen" erscheint. Im englischsprachigen Raum sorgte die Studie für Aufsehen, nicht weniger als 138 Einflussfaktoren definiert und kategorisiert der neuseeländische Bildungswissenschafter.  Dafür wurden mehr als 700 Meta-Studien ausgewertet, die sich wiederum auf 50.000 Studien beziehen, an denen rund 250 Millionen Lernende über die Jahrzehnte hinweg teilgenommen haben.

Lehrperson im Fokus

Hattie schafft dadurch eine Skala von Einflussfaktoren  mit für die heimische Bildungspolitik nicht uninteressanten Ergebnissen. Im Fokus von Hattie steht dabei die Lehrperson, der er eine wichtige Rolle zumisst.  "Am wichtigsten ist, dass das Lehren für die Lernenden sichtbar ist und dass umgekehrt das Lernen für die Lehrperson sichtbar ist", so Hattie in dem Buch.

Die Einflussfaktoren sind in sechs "Domänen" eingeteilt: Unterrichten, Lernende, Curricula, Lehrperson, Elternhaus und Schule (siehe Details).

"Selbsteinschätzung des eigenen Lernniveaus"

Seine Faktoreneinschätzung trifft nicht alle Altersklassen gleichermaßen und ist nicht für alle Schulen gleich zu sehen, sie sollen aber ein Richtwert sein. Als wichtigsten Einflussfaktor für die Erziehung nennt Hattie die "Selbsteinschätzung des eigenen Lernniveaus", geringen positiven Einfluss auf die Schulleistungen haben Fernsehen, Schulwechsel aber auch jahrgangsübergreifende Klassen.

Hattie misst in seiner Studie die Effektstärke von Bildungsmaßnahmen. Positive Nachricht: Fast alles was man im Bildungsbereich macht, hat einen positiven Effekt. Aber das ist auch nicht verwunderlich so Hattie, vielmehr geht es darum jene Faktoren herauszuarbeiten, die eine besonders positive Leistung auf die Schüler haben, also eine überdurchschnittliche Effektstärke, denn auch ohne Schulunterricht gibt es Lernerfolge. Kurz gesagt: Bei alle den Faktoren die irgendetwas positives bewirken, gilt es jene herauszufiltern die eine Effektstärke über der Norm haben.

Schüler bringen Effekte mit

Die stärksten Effekte bringen nach Hatties Ergebnissen die Schüler selbst mit: Besonders relevant ist, welche Leistungen sie sich selbst zutrauen und ob sie entsprechend ihrem Entwicklungsstand unterrichtet werden. Sehr starke Faktoren sind außerdem Feedback, der Besuch von Kindergarten oder Vorschule, beschleunigter Unterricht von Hochbegabten, klare Lernziele sowie Strategien, um diese zu erreichen, und eine gute Beziehung des Lehrers zum Schüler.

Kaum Auswirkungen auf die Leistung haben indes heiß diskutierte Fragen vor allem der Struktur (Leistungsdifferenzierung, kleinere Klassen, Lehrerausbildung, Lehrpläne). Will die Bildungspolitik also die Ergebnisse von Unterricht verändern, dürfen sich ihre Eingriffe nicht auf Strukturfragen beschränken, betont Hattie. Denn es werde sich nichts ändern, wenn weiterhin "die wichtigste Form der Klassenzimmer-'Aktivität' im Fragen, Abrufen und Erwerben großer Mengen an Oberflächenwissen besteht, und solange bloß Beschäftigung und Geschäftigkeit angestrebt werden".

Lehrer müssen anders unterichten

Ebenfalls geringen Effekt haben nach Hattie pädagogische Konzepte, wie sie in Österreich etwa in der Neuen Mittelschule (NMS) propagiert werden. Denn egal ob innere Differenzierung, Individualisierung oder Team-Teaching - keine dieser Maßnahmen bringt etwas, wenn der Lehrer in Wirklichkeit weiter unterrichte wie bisher.

Eine Vorlage dafür, wie gute Schule insgesamt funktioniert, kann Hattie mit seiner Mammutstudie nicht liefern - und will er auch nicht. "Ein Ziel dieses Buchs ist es, eine Theorie bezüglich der Schlüsseleinflüsse auf das Lernverhalten der Lernenden zu entwickeln - es soll sicher nicht dazu dienen, lediglich ein weiteres 'Was-funktioniert'-Rezept zu schaffen."

"Fast-Food-Hattie"

Hattie bezieht sich in seiner Studie vorwiegend auf englischsprachige Untersuchungen – und betont, dass die Ergebnisse sich nicht auf andere Sprachräume verallgemeinern lassen. Kritisiert wurde neben der geographischen Fokussierung auch das Alter der Studien – nur ein Drittel ist nach dem Jahr 2000 erschienen und die Fokussierung auf quantitative Verfahren.

Hatties Studie bringt bei allen Erkenntnissen aber auch eine Gefahr mit sich: Bei dem stark kategorisierenden Ansatz der einzelnen Faktoren muss die Bündelung berücksichtigt werden. So verlockend die Auflistung der 138 Faktoren sind, sie bergen auch die Gefahr das die Studie nur als "Fast-Food-Hattie"- so die Übersetzter der deutschen Ausgabe - gelesen wird, um eigene Vorannahmen zu bestätigen. (seb, APA, derStandard.at, 17.4.2013)