Frühestens Donnerstagnachmittag dürfte klar sein, welchen neuen Bewohner die Carabinieri im Quirinalspalast in Rom zu schützen haben werden.

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Verwirrspiel ohne Ende: Bis zuletzt konnten sich die verfeindeten Blöcke nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für die heute Donnerstag, um 10 Uhr beginnende Wahl des italienischen Staatspräsidenten einigen. Die Gespräche zwischen dem Konservativen Silvio Berlusconi und dem Linken Pier Luigi Bersani scheiterten vor allem an der Forderung des Cavaliere nach einer Regierungsbeteiligung - diese lehnt Bersani seit den Parlamentswahlen Ende Februar ab, weshalb es auch noch immer kein Kabinett gibt.

Die zuletzt ins Spiel gebrachten linken Kandidaten würden zwar von Berlusconi als Staatschef akzeptiert, stoßen aber bei der eigenen Basis des Partito Democratico (PD) auf Widerstand. Sie seien "Dinosaurier": Giuliano Amato ist seit drei Jahrzehnten in der Politik, war zweimal Premier und mehrere Male Minister. Massimo D'Alemas Laufbahn begann bereits in den 1970er-Jahren. Auch er war Premier und Außenminister. Die PD-Basis befürchtet, dass das "Recycling politischen Urgesteins" weitere Sympathien kosten würde. Mittwochabend kam auch der frühere Gewerkschaftsboss, Senatspräsident und Christdemokrat Franco Marini ins Spiel.

Grillo signalisiert erstmals Zusammenarbeit

Indes fordert Beppe Grillo die Linke auf, einen Kandidaten der Fünf-Sterne-Bewegung zu unterstützen und signalisiert erstmals als Gegenleistung Zusammenarbeit im Parlament. Die Basis der "Grillini" hat am Montag in einer Internet-Abstimmung die Journalistin Milena Gabanelli zur Spitzenkandidatin gewählt. Die wegen ihres kritischen TV-Magazins " Report" bei allen traditionellen Parteien gleichermaßen verhasste Rai-Journalistin lehnte jedoch nach zwei Tagen ab: "Ich fühle mich geehrt. Aber mir fehlt die für dieses Amt erforderliche politische Erfahrung." Ähnliches galt für den Zweitplatzierten Gino Strada, Arzt und Gründer der Kriegsopfer-Organisation Emergency.

Wichtige Rolle für die "Heckenschützen"

Formal besser geeignet wäre der Drittplatzierte Stefano Rodotà: Der prominente Jurist genießt auch im Partito Democratico Wertschätzung. Seine Wahl würde aber Berlusconi als Affront empfinden. Der Cavaliere fürchtet aber vor allem Erzfeind Romano Prodi - auch wenn dieser längst erklärt hat, nicht zur Verfügung zu stehen.

Da der Staatspräsident in geheimer Wahl ermittelt wird, kommt den " franchi tiratori" eine wesentliche Rolle zu - also jenen "Heckenschützen" , die im italienischen Parlament mit einem Ausscheren aus der Fraktionslinie schon oft Entscheidungen beeinflusst und sogar verändert haben. An der Wahl beteiligen sich 1007 Wahlmänner und -frauen aus Senat, Abgeordnetenkammer und Regionen. In den ersten drei Durchgängen ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, danach reicht die einfache Mehrheit.

Dem neuen Staatsoberhaupt kommt derzeit eine wichtige tagespolitische Rolle zu: Er oder sie kann das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 18.4.2013)