Warum schauen Pariserinnen oft so gut aus? Stilratgeberin Isabelle Thomas sagt: Weil sie es nicht zu genau nehmen. Diese Dame kombiniert ein Top von Isabel Marant und eine Vintage-Strickjacke.

Foto: Paris in Style

Designerinnen haben's leicht: Sie tragen ihre eigenen Kreationen, wie diese beiden Damen, die ein eigenes kleines Taschenlabel haben.

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Die Birkin-Tasche zum Pelzjäckchen: Auf diese Kombi würden auch Nichtpariserinnen kommen - falls sie das nötige Kleingeld haben.

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Paris in Style (Prestel-Verlag, EURO 19,95)

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Der Fashion Rath für die Frau (Dumont-Verlag, EURO 22)

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Fashion - Aufregend weiblich (Mosaik-Verlag, EURO 19,99, erscheint am 20. Mai)

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Ausgerechnet nachmittags. Wer hätte gedacht, dass die bissigen Kommentare eines deutschen Modedesigners dem Sender Vox zu dieser Tageszeit zweistellige Quoten bescheren würden? Shopping Queen heißt die Sendung, in der eine Handvoll Frauen in kurzer Zeit ein Outfit zusammenkaufen soll. Wer das am besten hinbekommt, wird von Modedesigner Guido Maria Kretschmer zur Königin des Einkaufens geschlagen.

Dabei passt das Konzept wie maßgeschneidert in den Fernsehnachmittag. Shoppen gilt als fester Bestandteil der Freizeitgestaltung. Und wer nicht shoppen kann, braucht Überlebenshilfe. Wo wechselnde Trends und Abverkäufe den Durchblick erschweren, ist die irrlichternde Ratlosigkeit nicht weit: Es hat die Stunde der Ratgeber geschlagen. Doch wie den richtigen finden?

Das ist gar nicht so einfach, denn es kann gerade nicht genug von ihnen geben. Designer, Stylisten oder Kostümdesigner fühlen sich derzeit prominent genug, um gute Ratschläge zwischen zwei Buchdeckel zu quetschen. Einer von ihnen heißt Thomas Rath. Rath ist wie Kretschmer Modedesigner, über die Sendung Germanys Next Topmodel wurde er zum Fernsehgesicht. Der Fashion Rath für die Frau (Dumont-Verlag, EURO 22) heißt sein Ratgeber, und er will, wen wundert's, den Frauen helfen: "Seid nicht so grundanständig und korrekt, überwindet die Angst, wagt etwas, probiert aus!", appelliert der Düsseldorfer Designer an die Hasenfüße.

Anekdoten mit Modeweisheiten

Das lockere Mundwerk des Thomas Rath, der mit Fliege und Hornbrille dem Fernsehpublikum den Modeexzentriker mit Einstecktuch gibt, findet auf knapp 240 Seiten seinen Niederschlag und kommt sogar ganz ohne Bebilderung aus. Stattdessen werden persönliche Anekdoten mit Modeweisheiten gespickt. Hier die beste Freundin Sabrina auf Capri, da die vollbusige Greta, dort Babette, da Dorothee. Es folgen praktische Tipps. Die lesen sich dann so: Blusen und Jeans sollen nicht gebügelt werden, denn: "Lieber unrasiert als ein Denimbein mit Bügelfalte." Allzu buchstabengetreu muss die Leserin die Ratschläge aber nicht nehmen.

Vielleicht sollte sie doch eher einer Frau vertrauen? Im Internet führen Bloggerinnen ihrer großteils weiblichen Leserschaft vor, wie die bunten Nike Air Max mit der Jacke von H&M und der Tasche von Céline kombiniert werden können. Oder sie zeigen auf Youtube, wie schillernde Lidschatten richtig aufgetragen werden. Sie sind die Stilvorbilder und Ratgeber einer jungen konsumaffinen Generation, die gern einkauft und sich schönmacht.

Hauptsache ungekämmt und abgewetzt

Auch die Stylistin Isabelle Thomas kommuniziert auf ihrem Blog "Mode Personelle" der französischen Wochenzeitung L'Express mit ihrer Leserschaft. Nun ist ihr Buch Paris in Style (Prestel-Verlag, EURO 19,95) auf Deutsch übersetzt worden. In ihrem Buch werden die Geheimnisse des "lässigen, unprätentiösen Schicks" jetzt auch an deutschsprachige Frauen weitergegeben.

Die haben es nötig, sie nehmen es nämlich, sagt Thomas Rath, viel zu genau. Sie tragen gebügelte Brettblusen, ein wenig Nonchalance täte da gut. "Die ungekämmten Haare einer Vanessa Paradis, die abgewetzten Jeans von Charlotte Gainsbourg, die Männerhemden und Ballerinas des ehemaligen Chanel-Models Inès de la Fressange", erklärt Thomas, verkörperten die schlichte feminine Eleganz der Französinnen.

Das klingt leider nicht neu und liest sich wie eine Fortsetzung des 2011 erschienen Büchleins Pariser Chic des Supermodels der 80er, Inès de la Fressange. Immerhin leisten in den 15 Kapiteln viele Bildbeispiele rund um das "Kleine Schwarze" oder "Jeans für jeden Tag" zusätzlich Orientierungshilfe.

Glücklicherweise kommen zwischen den Modetipps auch einige Experten zu Wort. Christophe Lemaire, Designer bei Hermès, macht nebenbei all die gut gemeinten Ratschläge wieder zunichte: Man kann ganz gut ohne das kleine Schwarze, den Trenchcoat und Ballerinas auskommen." Er sagt auch: "Es ist verboten zu verbieten! Ich bin gegen das Modediktat."

Balsam für die Seele

Das klingt schon zeitgemäßer, führt aber auch die Krux mit den Stilratgebern vor Augen. Denn die erinnern nicht selten an die properen Knigges der Wirtschaftswunderjahre: "Du brauchst keineswegs mehrere Schränke voller Kleidung. Immerhin empfiehlt es sich, täglich zu wechseln und immer blütenfrisch auszusehen, sich selbst und anderen zur Freude", rät 1956 das Buch der Etikette.

Wo Modezeitschriften atemlos Trends durchhecheln oder die Outfits von Prominenten zum Nachkaufen zusammenstellen, vermitteln Ratgeber, es gehe darum, den eigenen, den individuellen Stil zu finden. Das ist Balsam für die Seele jeder orientierungslosen Einkäuferin.

Ein Schäufelchen Mad Men

Schade nur, wenn dieses Ansinnen zu formelhaft angegangen wird. Gar nicht so weit weg von der Etikette der 1950er ist das Buch Fashion - Aufregend weiblich (Mosaik-Verlag, EURO 19,99, erscheint am 20. Mai). Autorin ist Mad Men-Kostümdesignerin Janie Bryant. Ihr Buch, das in den USA 2010 erschienen ist, kommt nun - lange nach Abflauen der Hysterie um die Serie - im deutschsprachigen Raum heraus.

Sie hat einen Ratgeber verfasst, der das kleine Einmaleins der Moderatgeber vorbildlich abarbeitet. Von der Figuranalyse bis zur Organisation des Ankleidezimmers, dazwischen eine Portion Vintage und ein Schäufelchen Mad Men. Dass die modischen Tipps völlig ironiefrei und ziemlich retro rüberkommen, irritiert. Zu guter Letzt bleiben auch die Männer von Janie Bryant nicht verschont: Das letzte Kapitel dreht sich um die Anatomie des Anzughemds und das Einmaleins der Krawatte. Im Herbst, hat auch Thomas Rath schon angekündigt, knöpfe er sich die Männerwelt vor. Das kann was werden. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 19.4.2013)