Praxistest in der Wüste von Marokko: Möglichst flott soll das tragbare Zelt aufgestellt sein, wenn einen Mars-Besiedler die Kräfte verlassen.

Foto: ÖWF/Zanella-Kux

Ob in Ray Bradburys Mars-Chroniken oder Philip K. Dicks zahlreichen Mars-Utopien: Die Science-Fiction-Literatur hat schon in den 1950er- und 1960er-Jahren eine ganze Reihe von Gedankenexperimenten geliefert, wie eine Kolonisierung des Mars im Detail vonstattengehen könnte. Inzwischen haben sich auch Wissenschafter intensiv damit auseinandergesetzt, wie eine Marsmission rein technisch machbar wäre.

Erst vergangene Woche hat US-Präsident Barack Obama angekündigt, dass die Nasa sich auf die Suche nach einem Asteroiden machen werde, der als Sprungbrett für eine bemannte Marsmission in den 2030er-Jahren dienen könnte.

"Und jetzt kommen die Architekten und Designer ins Spiel", sagt Sandra Häuplik-Meusburger. "Schließlich muss das Leben auf dem Mars dann auch funktionieren." Die Architektin ist Expertin dafür, wie das Wohnen und Arbeiten im All und auf fernen Planeten gestaltet werden könnte. Mit zwei Kollegen vom Institut für Architektur und Entwerfen der TU Wien, San-Hwan Lu und Polina Petrova, hat sie nun ein Projekt geleitet, in dem sie gemeinsam mit 25 Studenten ein Problem der Weltraumarchitektur angegangen ist, das auf den ersten Blick nicht unbedingt brennend scheint: die Frage, wie eine Notunterkunft auf dem Mars aussehen könnte.

"Es geht darum, Szenarien zu testen, die schiefgehen können", sagt Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraumforum (ÖWF). Das ÖWF war federführend beteiligt an einer umfangreichen Simulation einer Mission zum Mars, die im Februar einen Monat lang in der marokkanischen Sahara über die Bühne ging. Forscher aus 23 Nationen probten dabei, wie sich für den Mars entwickelte Raumanzüge, Rover, Roboter, Software und andere Instrumente und Konzepte im Praxistest bewährten.

Potenziell lebensgefährlich

Und in der Praxis kann es eben auch vorkommen, dass sich die Mars-Erforscher bei langen Expeditionen über den unwirtlichen Planeten ein Bein brechen, ein Problem mit ihrem Raumanzug bekommen oder schlicht und einfach erschöpft sind. "Wenn die Astronauten nicht zum Rover oder ins Habitat zurückkehren können, sind sie ganz auf sich allein gestellt, was eine Lebensgefahr darstellen kann", sagt Grömer. "Damit hat sich noch niemand in der Form beschäftigt." Also nahm das ÖWF das Projekt, das auch von der Förderagentur FFG unterstützt wurde, in die Reihe der wissenschaftlichen Experimente auf, die unter Mars-ähnlichen Bedingungen in der Wüste durchgeführt wurden.

Was dabei herausgekommen ist, wurde vergangene Woche an der TU Wien präsentiert: ein Prototyp einer Notfallunterkunft, der zwei Astronauten in voller Montur Platz zum Sitzen und Liegen bietet und einer Mischung aus Campingzelt und Strandkorb ähnelt. Zusammengefaltet passt das Zelt in einen scheibenförmigen Rucksack mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern und kann in Sekundenschnelle nach dem Prinzip eines Wurfzelts geöffnet werden.

Im Inneren befindet sich eine Art Luftmatratze, deren Kammern sich im Endausbau mithilfe eines pneumatischen Systems automatisch aufpumpen. Durch Druckverschiebung lässt sich die Lage zwischen Sitzen und Liegen verändern. Haben die Raumfahrer erst einmal Platz genommen, lässt sich die Oberseite zuziehen und verschließen. Dann gewähren nur mehr zwei seitliche Sichtfenster einen Blick auf die Außenwelt.

Zusätzlich sieht das Konzept Luft- und Energiereserven für die Raumanzüge vor. Bis zu 24 Stunden soll der "Deployable Emergency Shelter" den gestrandeten Astronauten Schutz bieten. "Natürlich könnte die Unterkunft auch für eine Übernachtung bei einer längeren Expedition genutzt werden", sagt Häuplik-Meusburger.

Wie gut das Zelt diese Zwecke erfüllen kann, zeigte sich dann in der Sahara. Die Testpersonen berichteten über einige Schwierigkeiten in der Handhabung - zumal sie in klobigen Anzügen steckten und der Platz im Zelt knapp bemessen ist. Detaillierte Ergebnisse einer Evaluierung, die Mediziner des Europäischen Astronautenzentrums der europäischen Weltraumagentur Esa durchführen, werden im Juli in Köln vorgestellt.

Arbeitsabläufe getestet

Bereits am 25. und 26. Mai werden an der TU Wien die Ergebnisse der wissenschaftlichen Experimente der Mars-Simulation präsentiert. So wurde in Zusammenarbeit mit der Nasa eine möglichst sterile Probenentnahme getestet, um zu vermeiden, dass Keime von der Erde auf den roten Planeten übertragen werden und Proben verfälschen.

"Es war schon eine Herausforderung, die Robotik und ein Breitband-WLAN im Sandsturm zu installieren", berichtet Grömer, "und wir haben bis zum Exzess Arbeitsabläufe und Kommunikationsinfrastrukturen getestet." Schließlich soll es bei mehreren Rovern und Raumanzügen, die von verschiedensten Orten der Erde gesteuert werden, zu keinem " interplanetaren Verkehrsunfall" kommen.

Falls doch, soll der Notfall-Shelter paratstehen. Bei der nächsten Simulation, die in einigen Jahren in der Arktis geplant ist, soll er jedenfalls schon weiterentwickelt sein. Ansonsten bleibt noch die Anwendung auf der Erde: Als Unterkunft fürs nächste Festival oder als Hightech-Strandkorb. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 17.04.2013)