Die Österreichische Lotwurz (Onosma helvetica ssp. austriaca): Nur drei Orte sind bekannt, an denen sie noch wächst.

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Auch das Ziesel (Spermophilus citellus) kommt in Österreich nur mehr an wenigen Orten vor.

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Wien - Ein paar steile, brachliegende Hänge in der Wachau sind die letzte Heimat der Österreichischen Lotwurz. Der typischer Lebensraum des krautigen Gewächses war jahrhundertelang von Schafherden geprägt, die die nährstoffarmen Trockenrasenflächen beweideten. Die Schafe sind aber schon vor Jahrzehnten verschwunden und langsam werden die Trockenrasen nun von Bäumen und Sträuchern besiedelt, die der Lotwurz Licht und Lebensraum nehmen. Heute sind nur noch drei Orte bekannt, wo sie wächst. Die stark vom Aussterben bedrohte Pflanze ist ein Beispiel dafür, dass sich Folgen menschlicher Einflüsse auf die Umwelt erst Jahrzehnte später offenbaren.

Diese stark verzögerten Folgen menschlicher Einflüsse auf die Umwelt sind nicht nur anhand von konkreten Beispielen, sondern auch im Großen nachweisbar, fand ein Forscherteam um Franz Essl vom Umweltbundesamt und Stefan Dullinger von der Uni Wien heraus.

Die Wissenschafter analysierten in der im US-Fachblatt "PNAS" publizierten Studie Daten zu Besiedelungsdichte, Bruttosozialprodukt und Landnutzung aus den Jahren 1900, 1950 und 2000 in Zusammenhang mit den aktuellen Roten Listen aus 22 europäischen Ländern: "Historische sozioökonomische Daten können den heutigen Gefährdungsgrad besser erklären als aktuelle Erhebungen", sagt der Ökologe und Studienautor Franz Essl zum Standard. "Die Lotwurz ist auch nicht in den 30er- oder 40er-Jahren verschwunden, sondern sie verschwindet jetzt."

Je weiter man ins 20. Jahrhundert geht, desto enger wird der Zusammenhang zwischen damaligen wirtschaftlichen Daten und aktueller Einschätzung der Gefährdung von Tieren und Pflanzen. Dabei spiegelt ein "stark integrierter Summenindikator" wie das Bruttosozialprodukt eines Landes die Beeinflussung der Umwelt "noch immer hoch signifikant wider", sagt Essl.

Der gestiegene Flächenverbrauch durch Landwirtschaft und Infrastruktur und die Emission von Schadstoffen haben im 20. Jahrhundert dazu geführt, dass die Roten Listen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten lang geworden sind. "Die ökologischen Prozesse, die von der menschlichen Einflussnahme angestoßen wurden, haben sich aber längst noch nicht vollständig niedergeschlagen." Es sei also zu erwarten, dass das Gefährdungsrisiko unterschätzt wird und aktuelle Naturschutzmaßnahmen nicht ausreichen.

Nur Fische reagieren rascher auf Veränderungen, entdeckten die Forscher. Das könnte etwa daran liegen, dass die Beeinflussung ihrer Lebensräume wie Kraftwerke mit dem Aufschwung nach 1945, also vor relativ kurzer Zeit, sehr massiv waren. Hält der Trend an, haben viele Arten - wie Ziesel, Stein-Klee oder die Große Sägeschrecke, die für die Untersuchung herangezogen wurden -, schlechte Zukunftsaussichten. Zur Einschränkung der Lebensräume kommt mit dem Klimawandel ein weiterer Faktor. Sensible Gebiete wie Moore seien besonders betroffen. "Viele Arten, die heute schon auf Roten Listen stehen, werden in Teilen ihres Verbreitungsgebietes verschwinden." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 16.4.2013)