Sie sind puristisch, charmant, ein wenig schräg und vor allem günstig: Jene Cabrios und Roadster, die unverkrampft die Einfachheit des Offen-Unterwegsseins zelebrieren. Ganz ohne Distinktionsstress und Neidattacken. Ein Best of der Gebrauchtwagen-Szene

Frühlingszeit ist Striptease-Zeit. Schließlich hebt die sogenannte Cabrio-Saison an. Wie die Krokusse ploppen Gucci-Shades und Wetgel-Haarkringel aus vollbelederten Airscarf-Sitzen. Ein, zwei Gehaltsklassen tiefer rufen Vernunftverliebte wieder die kinematischen Höchstleistungen ihrer Blechdach-Coupé-Cabriolets ab. Für sie alle hat die Reklame den Cabrio-Besitz als Kitschporträt individueller Freiheit ausgemalt. Lifestyle, Luxus, abgeschmeckt mit reichlich Leistung an den Antriebsrädern: Ausgerechnet der Verzicht auf einen essentiellen Teil des Automobils, das Dach notabene, wird zum gut gepolsterten Wohlstandsbeweis. Vergessen ist sie, die reine Cabrio-Lehre.

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Diese Lebensschule hat nichts mit Newtonmeter-Aufmarsch und Solvenz gemein, sondern mit Gelassenheit und Genussfähigkeit: Cabriofahren ist die Zen-Philosophie des Unterwegsseins. Autobahnen und Schnellstraßen sind prinzipiell zu ächten, sinnbefreites Anreißen an der Ampel entlarvt den Proll - man groovt dahin, schmiert lässig die Kurven aus (Linken Ellenbogen ausklappen!), lauscht dem Glucksen des Motors beim Zurückschalten und lässt die Sonne rein. Einfach so. Ganz ohne Leasing-Inhaftierung, Distinktionsstress und Pigmentierungs-Contest, sondern schlau, klug motorisiert (Wechselkennzeichen!) und für relativ wenig Geld.

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Die Essenz des Offenfahrens ist am Gebrauchtwagenmarkt wohlfeil. Wir präsentieren eine Auswahl an wertigen Oben-ohne-Tipps. Von Praktischem über Alltagstaugliches bis hin zu Extrovertiertem ist reichlich Platz für den Himmel über unseren Köpfen:

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Die Klassiker:
Fiat X1/9:
Der Seventies-Keil ist schon länger in der Youngtimer-Szene etabliert. Das Targa-Layout nimmt Neueinsteigern die Angst vor dem Frischluft-Schock. Pro: Leicht (900 Kilo), unaufgeregt (alle Motoren unter 100 PS), denoch humorvoll (Mittelmotor). Contra: nicht mehr ganz günstig, fiese Rostnester.

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Alfa Romeo Spider Aerodinamica: Dritte, von 1983 bis 1989 gebaute Spider-Generation. Anfangs angesichts der wulstigen Heckspoiler-Lippe verhöhnt, wurde der Zweisitzer mangels Alternativen in der Szene zum populärsten Spider. Pro: Die letzten Ausgaben gibt's auch mit Katalysator. Contra: Die Lippe, die Metallkorrosion.

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Die Edlen:
Chrysler Le Baron Cabriolet
: Auch ein ehemaliger Geächteter. Zwischen 1987 und 1995 gebaut, gibt der Ami den geschmeidigen Allrounder mit vier Sitzen. Bringt mit dem kleinsten Motor korrekte 95 PS an die Vorderräder. Pro: Hat nicht jeder. Mag auch Kinder im Fond. Ist kein Chrysler PT Cruiser. Contra: Rotlichtbedingte Image-Probleme.

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BMW 3er E36 (1993 – 1999): Selbsterklärendes Frischluft-System mit Heckantrieb, vier Sitzen und Stoffdach. Knippst leider nur als Sechszylinder (150, 192 PS) so richtig die Sonne an. Pro: Kämpft darum, den Klassiker-Status des Vorgängers zu erobern. Ist also noch günstig. Contra: Leidet unter Aufdönerung und Tiefbettfelgen-Epidemie.

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Mercedes SLK R170: Das erste Blech-Klappdach von Mercedes. Gibt sich mit dem 2-Liter-Benziner noch einigermaßen vernünftig. Pro: Kennt dank mobilem Festdach keine Alltagsschwächen, null Ersatzteilprobleme. Contra: Entstand in einer eher schwachen, mängelbehafteten Phase von Mercedes.

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Mercedes SL R129: Nein, das ist kein Irrturm. Tiefer werden die Preise für den Sacco-Roadster nie mehr sinken. Reichlich PS, dennoch nicht zu steife Gelenke, als 500 SL elegisch, aber auch ein großer Säufer. Pro: Ein echter Benz. Wertanlage. Contra: Fahrzeugbestand teils übel verbastelt, die Nachbarn, die verstörte Gattin.

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Die Heißen:
Chrysler Crossfire Roadster:
Der lässigere Mercedes SLK, dessen amerikanischer Wiedergänger er ist. Widerspricht mit seinen 218 PS ein wenig dem Cruising-Gedanken, hat dafür Automatik. Pro: Bang for the Buck bzw. Euro: Ist bereits um 10.000 Euro zu haben. Contra: Auf ewig dein.

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Mazda MX-5: Der Vorreiter in Sachen Redefinition der puristischen, selbsterklärenden Cabrio-Idee. Die erste Generation (Klappscheinwerfer) ist mittlerweile selten weil ein gesuchter Klassiker. Pro: der Heckantrieb, die Schaltung, das Fahrwerk, die Lenkung. Contra: Die ab 1998 gebaute Serie sieht nicht mehr so zwingend gut aus. Zen-Gedanke ist nicht.

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Honda S2000: Geniale Zuspitzung der MX-5-Idee. Der 2-Liter-VTEC gibt einen phantastischen Hochorgler. Kompromissloses Fahrwerk, exekutiert Lenkbefehle nach Belieben. Pro: Brennt einem ein Dauergrinsen ins Gesicht. Contra: Dauergrinsen ist nur mäßig cool. Die Saison beginnt beim ersten Schneefall erst richtig. Eine kostenschonende Wechselkennzeichen-Anmeldung scheidet ergo aus.

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Toyota MR2: In drei, zwischen 1984 und 2007 gebauten Modell-Generationen erhältlich. Schickte zuletzt 140 PS an die Hinterräder. Achtung: Mittelmotor-Layout. Will also von kundiger Hand ausgeführt werden. Pro: Sorgt bei Kennern für ehrliche Anerkennung. Contra: Die frühen Klappscheinwerfer-Ausgaben sind rar. Optisch reizarme letzte Generation.

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BMW Z3: Schick und agil, mit properem Handling sowie vernunftbegabten Vierzylindern (115, 118 PS) gesegnet. Elektrifziertes oder manuelles Stoffdach. Gibt sich tendenziell edel, ist von seinem Wesen her dennoch puristisch. Pro: gepflegter Allrounder ohne Allüren. Contra: mäßig verwindungssteif, erst als Sechszylinder wirklich komplett.

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Hauptsache offen:
Fiat Punto Cabrio: Bestpreis-Amico aus Italien. Zwischen 1994 und 1997 gebaut, vertraut der Viersitzer auf freundliche Motorisierungen (58, 60 und 85 PS). Garantiert lebenslanges Glück beim kleinen Ausflug. Pro: Souveräne, vollverzinkte Italianità, macht beschämend sympathisch. Contra: Torsion.

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Smart Roadster: Geniale Idee, durchwachsene Umsetzung. Der zwischen 2003 und 2005 gebaute Gnom sollte an die Tradition puristischer Roadster anschließen, geriet dann aber etwas zu teuer. Pro: Sparsame Dreizylinder-Motorisierungen, Heckantrieb, frisst Kurven nach Belieben. Contra: die Mickey-Mouse-Turbos, der Motor-Sound Marke aufgetunter Föhn, das sequentielle Getriebe.

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Ford Streetka (2003 - 2005): Verheißungsvolle Bewerbung, mittelmäßiger Erfolg. Ergo: Bestpreisalarm. Der Zweisitzer mit der Stoffhaube gibt sich zeitgemäß sicher und mit 95 PS optimal motorisiert. Pro: Reinsetzen, wegfahren, abschalten. Contra: Ein wenig zu schwer geraten (das Auto).

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Peugeot 306 Cabriolet: Als Edition "Roland Garros" (weiße Ledersitze, Grün-metallic-Lack) der Traum der besser bestallten WU-StudentInnen. Lässt jedes VW Golf III Cabrio sehr, sehr betulich aussehen. Die lange Bauzeit (1994 – 2003) garantiert einen großen Bestand, viele Benzin-Motorisierungen (89, 98, 101, 110, 121, 131 PS). Pro: Passt immer. Ist im Gegensatz zum 206 CC ein Cabrio. Contra: Will gepflegt werden, sonst herrscht Seuchen-Alarm.

Foto: peugeot

Opel Astra G Cabriolet: Zurück genommenes, neidresistentes Bertone-Design. Während seiner aktiven Zeit (2001 – 2005) eindeutig unter Wert geschlagen. Vier Benziner bis hinauf zum 2-Liter-Turbo plus elektrifiziertes Stoffdach samt Glasscheibe. Pro: 2+2-Sitzer ohne Mätzchen. Läuft schon ab 5000 Euro auf. Contra: Eigentlich zu komplett, widerspricht der reinen Lehre.

Foto: opel

Für Härtebolzen:
Jeep Wrangler: Gelände-Potentat mit dem gewissen Frischluft-Appeal. Pro: Fährt der Sonne entgegen, ganz gleich, wo sie sich versteckt. Contra: Säuft beträchtlich, kein Freund des Asphalts.

Foto: jeep

VW Typ 181: Ein paar horizontale und vertikale Flächen, Räder unten dran, Motor hinten rein: fertig war "The Thing", wie der Rustikal-Käfer in den USA genannt wurde. War dort das It-Car der Hippie-Generation. Hierzulande immer noch unter Wilderer-Verdacht. Pro: Quadratisch, praktisch, gut. Contra: Problematischer Vorfahr (Wehrmachts-Kübelwagen!), es wird zu pazifistischer Farbgebung (zitronengelb, himmelblau) geraten.

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VW Buggy: Mobilisierte in den 1970ern eine ganze Bastler-Generation, die dem Käfer-Unterbau teils wirr gestylte Glasfiber-Bodys überstülpte. Beherrschte als Dune Buggy die Strände Kaliforniens. Der notorisch motorische Steve McQueen führt hier ein Exemplar standesgemäß aus. Pro: Macht Spaß. Contra: Bloß wo?

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Ford Escort Cabrio: Die dritte und vierte Generation der populären Escort-Reihe brachte in den 1980ern auch ein praktisches Stoffdach. Die Konkurrenten jener Tage gibt es quasi nicht mehr: Das VW Golf Cabrio macht auf Kult und hohe Preise, die Kadett-Bestände wurden von der Landjugend erfolgreich dezimiert. Pro: Genial banal. Contra: Fährt sich ein wenig indifferent. Erfordert ausgeprägtes Selbstbewusstsein.

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Außer Konkurrenz:
Tesla Roadster
: Hier besteht die ganze Härte darin, eine unschicklich hohe Summe in eine Technologie zu investieren, für deren Erhalt man sich in zehn Jahren wohl selbst die Akkus aus alten Handys schrauben muss. Bis dahin gibt's jedoch die faszinierendste Form des Offen-Unterwegs-Seins. Pro: 292 PS in einem Lotus-Body. Contra: Überschaubarer Gebrauchtwagenmarkt. Der Preis. Die Zukunft.

Foto: tesla

Für alle:
VW Käfer Cabrio: Über alle Baureihen hinweg der größte anzunehmende Individualist mit gleichzeitig enormer Breitenwirkung. Die Jeans unter den Cabrios. Pro: Sogar Schlingschal-Schluffis mit Schlaumeier-Brille sehen darin sympathisch aus. Contra: siehe Pro. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 16.4.2013)

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