Eine "Revolution", wie einige Medien gleich behaupteten, ist es nicht: Aber die Einrichtung eines Beratergremiums des neuen Papstes ist ein Schritt nach vorn – vergleichbar jenen, die vor fünfzig Jahren von Papst Johannes XXIII. gegangen wurden. Für eine "Revolution" müssten Prinzipien infrage gestellt werden: keine Frauen im Priesteramt, Heiratsverbot, Verbot der Pille und des Kondomgebrauchs.

Was offiziell auf eine Vorbereitung einer Kurienreform reduziert wird, ist gleichwohl ein gewaltiges Unterfangen. Eine der mächtigsten Bürokratien, die die Welt kennt (der Wiener Soziologe Wilfried Daim verglich sie einst mit der der des Kreml), soll neu aufgestellt werden. Und vor allem: Die Vatikanbank IOR, unterwandert von der Mafia, der Geldwäsche bezichtigt, soll nach dem Willen der Kardi näle nicht mehr das sein, wogegen auf den Kanzeln gewettert wird: ein Sündenpfuhl.

Die personelle Zusammensetzung des Gremiums signalisiert aber auch einen möglichen Richtungswechsel des Papsttums. Mit Oscar Maradiaga steht ein Kardinal an der Spitze, der prononciert "politisch" ist, und als internationaler Präsident der Caritas auch ein Mann, der über Unrecht nicht jammert, sondern es bekämpft. Vor dem Konklave hat man ihn als "Marxisten" eingestuft. Das wäre – oberflächlich betrachtet– mit seiner Kapitalismuskritik wohl auch der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher. Sicher aber steht Maradiaga nicht "rechts", sondern"links".

Außer dem "Sekretär" des Gremiums, dem Bischof der Region um Castelgandolfo, gehört dem "Aufsichtsrat" der katholischen Kirche kein Italiener an. In den Augen der Kurie und der italienischen Kardinäle sicher eine Provokation – weil der Papst damit andeutet, dass sie alle verwickelt sind ins Desaster der Kirchenspitze. "Vatileaks" als Sündenfall des klerikalen Establishments in Rom.

Ein zweiter personeller Aspekt: Nicht der humorvolle, aber theologisch fundamentalistische Erzbischof von New York, Timothy Dolan, wurde nominiert, sondern Patrick O'Malley, Erzbischof von Boston, einziger Kapuzinerpater im Kardinalskollegium und in der Lebensführung ähnlich simpel wie der Papst selbst. Dass aus Europa keiner der üblichen Kandidaten berufen wurde, weder der Kölner Erzbischof Joachim Meisner noch dessen Wiener Amtsbruder Christoph Schönborn, spiegelt die realen Verschiebungen in der Weltkirche.

Papst Franziskus hat die Kurie mit seinem Überraschungsschritt zur temporären Ohnmacht verdammt. Gegen ein Gremium, das über ihr schwebt, aus aller Herren Länder Blitze schicken kann, wird sie mit den traditionellen In trigen nichts ausrichten. Weshalb man jetzt spekuliert, wann der Papst den (noch) amtierenden Staatssekretär (Regierungschef) Tarcisio Bertone ablöst und wer der Nachfolger sein wird.

Im Vatikan geht es derzeit mindestens so spannend zu wie an der politischen Spitze Italiens. Wobei die römische Kirche wenigstens einen Vorteil hat – sie muss sich nicht mit einer so schillernden Figur wie Silvio Berlusconi raufen. (DER STANDARD, 15.4.2013)