Die Zyprioten, die Griechen, die Spanier sind reicher als die Deutschen und Österreicher?

Dieses Ergebnis einer großen Studie der Europäischen Zentralbank zeigt, dass "Vermögen" in den Krisenstaaten überwiegend aus Immobilien besteht. Im Süden kauft man, im Norden mietet man. Außerdem stammen die Daten aus den Jahren des inzwischen zusammengebrochenen Immobilienbooms etwa in Spanien.

So kann man sich - ohne ausreichende Interpretation der Hintergrundbedingungen - reich oder arm rechnen.

Aber zeigt nicht die EZB-Studie auch, dass innerhalb einiger EU-Staaten die Vermögen besonders ungleich verteilt sind? Und zwar besonders in Österreich? Das ist ja schließlich das "Gerechtigkeits"-Thema, auf dem die SPÖ, der ÖGB, die Arbeiterkammer, die Grünen, linke Ökonomen und Journalisten seit Jahr und Tag herumreiten.

Diese massive politische Kampagne basiert im Wesentlichen auf einer Erhebung der Nationalbank (ÖNB), auch einem Bericht des Sozialministeriums. Aber auch hier kommt es auf die Interpretation an. Zunächst: Österreich ist Umverteilungsweltmeister, was die Einkommen betrifft. Das Steuersystem und Sozialtransfers heben uns mit der Kennziffer (Gini-Koeffizient) von 0,26 in eine Liga mit den Skandinaviern. Beim Vermögen sieht es aber mit 0,69 Gini sehr viel ungleicher aus. Dies, weil auch wir ein Volk der (großteils subventionierten) Immo-Mieter und nicht der Eigentümer sind. Und wegen des Sozialstaats. Wie bitte? Das Institut für Höhere Studien konstatiert schlicht: "Ein wesentlicher Grund für die Ungleichheit der Vermögensverteilung ist im Sozialstaat angelegt". "Vermögen entsteht aus drei Quellen, nämlich Alters-, Vorsichts- und Erbschaftssparen. Bei einer Ersatzquote für die Pensionen von um die 80 Prozent gibt es kaum mehr einen Grund, durch privates Sparen für das Alter zusätzlich vorzusorgen. Die Pflichtversicherungen für Arbeitslosigkeit, Unfall, Krankheit und Invalidität decken die wesentlichen Lebensrisken ab und ersetzen weitgehend privates Vorsichtssparen. Die öffentlichen Bildungsausgaben sichern die Erwerbs- und Einkommenschancen der nachkommenden Generationen." Der Sozialstaat erspare also breiten Schichten des Sparen und damit den Vermögensaufbau.

IHS-Chef Christian Keuschnigg zieht daraus den Schluss, dass "die mit den Sozialbeiträgen erworbenen Leistungsansprüche ebenfalls Vermögen im weiteren Sinn (sind)". Im Grunde müsste dieses "Sozialvermögen" in die Bilanz einbezogen werden, und dann wäre die Ungleichverteilung nach dem Gini-Koeffizienten immer noch relativ hoch (0,4), aber eben nicht die krassen 0,69, auf die sich die "Gerechtigkeits"-Propagandisten berufen. Wenn ein geringerer Teil der Bevölkerung ("das oberste Zehntel", das aber schon bei 4000 Euro brutto beginnt) für längerfristige Ziele anspart, ein größerer aber nicht, sondern auf Sozialtransfers vertraut, dann hat eben der eine mehr Vermögen, der andere weniger. Das sollte man wohl in die kommende (Wahl-)Debatte über "Gerechtigkeit" einbeziehen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 13./14.4.2013)