Es sitzt nicht in jedem Bundesland eine Familie Nader.

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Standard: Ihr Sohn Marcos ist das Aushängeschild des österreichischen Boxens. Sein älterer Bruder Daniel ist Bundesnachwuchstrainer. Sie sind Verbandspräsident, Ihre Tochter Matina ist Generalsekretärin. Ist so ein Familienbetrieb nicht zumindest ungewöhnlich?

Nader: Das hat sich ergeben, als mein großer Sohn Daniel mit dem Boxen begonnen hat. Noch komplexer ist es geworden, als sich herausgestellt hat, dass Marcos nicht nur am Boxen interessiert ist, sondern das lebt, auch schon mit elf, zwölf Jahren. Es war klar, dass wir die Kinder so gut wie möglich unterstützen, aber das hat nichts mit dem Boxsport zu tun. Wir hätten sie auch beim Eislaufen oder Golfspielen unterstützt.

Standard: Aber es wird doch nicht jeder Eislaufvater auch Präsident.

Nader: Ich bin zunächst Vizepräsident und Wiener Landesverbandspräsident geworden. Und dann war die Frage, ob ich den Verbandspräsidenten mache. Für mich war immer klar, dass das nur geht, wenn ich jemanden als Schriftführer oder Generalsekretär in unmittelbarer Nähe habe.

Standard: Der Verbandssitz ist Reichersberg bei Sieghartskirchen in Niederösterreich. Ist das nicht auch Ihre Privatadresse?

Nader: Ich stelle dieses Büro dem Verband zur Verfügung, dort arbeitet auch meine Tochter, die ist mittlerweile fix angestellt. Sonst ginge das auch gar nicht.

Standard: Gab es im Verband zu wenige ehrenamtliche Funktionäre?

Nader: Nein, aber ich habe schon als Landespräsident gesehen, dass ehrenamtlich nicht alles umsetzbar ist. Will ein Trainer mit seinen Jungs an der Weltspitze mitboxen, sind zwei Trainingseinheiten täglich wichtig. Wir reden da von 20 bis 24 Trainingsstunden in der Woche. Aber welcher berufstätige Trainer kann das, welcher Sportler? Ich habe mit vielen Arbeitgebern gesprochen, das lässt sich nicht umsetzen.

Standard: Was haben Sie unternommen?

Nader: Wir haben uns zunächst um mehr Geld bemüht.

Standard: Der Boxverband verfügt über rund 220.000 Euro aus Fördermitteln. Wie viel war's vorher?

Nader: Ich habe mit circa 100.000 übernommen. Der Zuwachs hört sich gut an, aber uns fehlen noch 300.000 Euro, um etwa Sportler in Hinblick auf auf Olympia in Rio de Janeiro zwei Jahre lang unterstützen zu können.

Standard: Bekommen die Vereine etwas von der Basisförderung?

Nader: Wir bedienen die Vereine mit Leistungen, Geld bekommen sie nicht. Wir sind schließlich im Bereich des Ehrenamtes, das kann sich jeder aussuchen, und es sollte dann eine Verpflichtung sein. Und es kann sich auch jeder Verein selber vermarkten. Sie können auch Projekte einreichen. Ich selbst mache auch nichts anderes.

Standard: Wofür reichen Sie ein?

Nader: Es sitzt nicht in jedem Bundesland eine Familie Nader, die einen so unterstützt wie wir den Marcos. Davon kann man nicht ausgehen. Wir haben zwei Leistungszentren, Ost und West, um das zu zentralisieren. Und wir haben jetzt auch schon drei Nachwuchsstützpunkte. Wir kooperieren vermehrt jetzt auch mit Schulen.

Standard: Mit Erfolg?

Nader: Na ja, wir haben mit Daniel Janicijevic einen, der zweimal Bronze bei Nachwuchseuropameisterschaften gemacht hat.

Standard: Es braucht professionelle Möglichkeiten für Amateure. Lag es nicht ganz in Ihrem Interesse, dass Ihr Sohn Marcos Profi wird?

Nader: Nein, er hat bei den Amateuren keine Perspektive mehr gesehen. Es war dem 18-Jährigen nicht mehr zu erklären, dass er zweimal täglich trainieren soll, aber kein Geld bekommt. Also ging er zu den Profis. Das ist unser Problem. Aber der Weltverband hat reagiert, es gibt jetzt einen Bewerb zwischen dem olympischen und dem Profiboxen. Das ist eine Kampfansage an die großen Profiverbände. Geld verdienen können wir auch, indem wir unsere Olympiasieger oder Weltmeister eben selber vermarkten.

Standard: Sie sind seit drei Jahren Präsident. Bei der WM 2011 gab es nur einen österreichischen Boxer, bei Olympia in London keinen. Was sagen Sie zu dieser Bilanz?

Nader: Ich habe auch geglaubt, dass wir schneller etwas bewirken können. In der Rückschau haben wir auf Verbandsebene, glaube ich, viel zusammengebracht. Wenn ich sehe, was noch fehlt, habe ich den Eindruck, dass wir gar nichts zusammengebracht haben. Es ist in den vergangenen Jahren ein bisschen auf den Nachwuchs vergessen worden. Es kamen zwar 14-, 15-Jährige aus dem Ausland, die waren aber vorgebildet und verstellten Österreichern den Weg. Verstehen Sie mich nicht falsch. Wir wollen alle Boxer, aber ich kann international nur Österreicher einsetzen.

Standard: Sie sind nicht nur Präsident, sondern auch Vater. Wie gehen Sie damit um, wenn Marcos kämpft und verletzt werden kann?

Nader: Ich muss damit leben. Aber es ist ganz schwer. Ab der ersten Pressekonferenz vor einem Kampf gehe ich Windeln kaufen. Boxen ist eben ein sehr gefährlicher Sport. Ich versuche es zu verdrängen. Seit er Profi ist, bin ich nicht mehr bei den Kämpfen. Bei einem Zwölfrunder altert man, nicht nur ich, auch meine Frau, der Bruder, die Schwester. Ich wünsche mir immer, dass beide Boxer unverletzt aus dem Ring steigen, und hoffe, dass der Sieger dann der Marcos ist. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem er auf den Brettern liegt. Ich hoffe, es passiert nie. (Siegfried Lützow, DER STANDARD, 13.4.2013)