Netzbett auf der Psychiatrie Baumgartner Höhe - laut Europarat menschenrechtswidrig, laut Patientenanwältin Pilz verzichtbar.

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Wien - Seit Juli vergangenen Jahres spürt die Volksanwaltschaft nicht mehr nur Missständen in der Verwaltung nach. In Umsetzung der UN-Behindertenkonvention und des UN-Übereinkommens gegen grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung und Strafe (Opcat) statten Kommissionen jenen Orten - meist unangemeldet - Besuche ab, in denen Menschen angehalten werden. So sieht es der sogenannte Nationale Präventionsmechanismus (NPM) vor.

Neben Gefängnissen und Polizeianhaltezentren werden auf diese Art zum Beispiel auch manche Grundversorgungseinrichtungen für Asylwerber kontrolliert - ebenso sozialpädagogische Jugendheime, Pflegeeinrichtungen sowie Psychiatrien. In letzteren tauchten im zweiten Halbjahr 2012 insgesamt 13 Mal Kontrolleure der Volksanwaltschaft auf - und deckten ein bemerkenswertes Ost-West-Gefälle auf, das Volksanwalt Peter Kostelka (SPÖ) bei der Vorstellung des Jahresberichts 2012 am Freitag schilderte.

"In den Psychiatrien und psychiatrischen Abteilungen im Osten des Bundesgebiets ist der Einsatz von Netzbetten offenbar nach wie vor üblich, um unruhige Patienten zu fixieren. Während im Westen Österreichs, also ab Linz, nirgendwo mehr solche Betten zu finden sind", erläuterte Kostelka.

Tatsächlich fanden die Besuchskommissionen in jeder einzelnen der überprüften ostösterreichischen Psychiatrien drei bis fünf Netzbetten vor. Teilweise waren sie belegt, mit Patienten, die ohnehin unter Psychopharmakaeinfluss standen.

"Die Frage ist, warum man diese Betten im Osten weiter zu brauchen glaubt, während man im Westen offenbar auf sie verzichten kann", sagt Kostelka. International werde klar Verzicht verlangt: Laut dem Antifolterkomitee des Europarats (CPT) sei die Einsperrung psychiatrisch Erkrankter in derlei Betten als menschenrechtswidriger Freiheitsentzug zu werten, daher habe die Volksanwaltschaft ein Prüfverfahren gestartet.

In Österreich sehe man das nicht einhellig so, weiß die Wiener Pflege- und Patientenanwältin Sigrid Pilz. Die Verwendung von Netzbetten im Osten stehe "in der Tradition etlicher k. u . k Nachfolgestaaten. Auch in Tschechien, der Slowakei und Ungarn gibt es sie nach vor", sagt sie.

Das jedoch gehöre infrage gestellt, denn: "Für einen Menschen in einer psychiatrischen Krise können Netzbetten wie Disziplinierungsmittel wirken, auch wenn sie so nicht verwendet werden." Georg Psota, ärztlicher Leiter der psychosozialen Dienste in Wien, wollte auf Befragen des Standard nicht zum Thema Netzbetten Stellung nehmen.

Probleme in Justizanstalten

Auch bei Kontrollen in Justizanstalten haben die Besuchskommissionen der Volksanwaltschaft indes Probleme festgestellt: Die medizinische Versorgung war vielfach mangelhaft. Ebenso stellte sich die Betreuung in Jugendheimen vielfach als unzureichend heraus. Insgesamt haben die sechs Kommissionen bisher 260 Überprüfungen durchgeführt. (Irene Brickner, DER STANDARD, 13./14.4.2013)