Der sanftmütige Veysel (Abdulkadir Tuncer) aus "Deine Schönheit ist nichts wert".

Foto: Filmladen

Wien - Veysel ist neu in Wien. Der Zwölfjährige spricht kaum ein Wort Deutsch, erst vor wenigen Wochen ist er mit seinen türkisch-kurdischen Eltern nach Österreich gekommen. Im Klassenzimmer harrt er stumm neben seinen Mitschülern aus. Ana, von der er eigentlich auch nichts weiß, gefällt ihm trotzdem. Das Mädchen mit den sanft geschwungenen, braunen Haaren, das körperlich schon ein wenig reifer wirkt als der noch sehr bubenhafte Veysel, taucht auch in seinen Tagträumen auf. In diesen holt er das Mädchen zum Beispiel von zu Hause ab, eine Rose klamm in den hinter dem Rücken versteckten Händen haltend.

Deine Schönheit ist nichts wert ist der Abschlussfilm des deutsch-kurdischen Regisseurs Hüseyin Tabak an der Wiener Filmakademie. Im Kino ist Tabak allerdings schon davor aufgefallen: 2010 fand er mit seiner Dokumentation Kick Off über das Homeless Street Soccer Team einige Beachtung, im vergangenen Jahr präsentierte er bereits seinen zweiten Spielfilm, das Kinderabenteuer Das Pferd auf dem Balkon.

Sein Debüt steht in der Tradition eines Kinos der zweiten Generation, welches in Österreich freilich wenige Beispiele kennt (anders als in Deutschland, wo mit Fatih Akin ein Starregisseur bereitsteht). Mit Veysel (Abdulkadir Tuncer) entschied sich Tabak für einen sympathisch verschlossenen Helden, dessen warmherziger Blick den Film auch insgesamt bestimmt. Der Bub eifert nicht dem Macho-Habitus seines Bruders nach, sondern verfolgt still leidend dessen Spannungen mit dem Vater. Mit seiner Besonnenheit bietet er eigentlich eine interessante Alternative zu den gängigen Motivationsgeschichten gegen die Mängel des Exillebens.

Doch Deine Schönheit ist nichts wert fehlt auf der anderen Seite der Mut, über erbauliche, etwas zu plakative poetische Verdichtungen hinauszugehen. Als sich die Situation der Familie zuspitzt und diese droht, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlieren, fällt Veysel die Aufgabe zu, seine Integrationsfähigkeit unter Beweis zu stellen und einen Ausweg zu bieten. Tabak erweist sich durchaus geschickt dabei, eine migrantische Gemeinschaft zu zeichnen, in der sich Typenkomik und ein gewisser Hang zu Sentimentalität nicht ausschließen müssen.

Anders als Umut Dags reißerisches Zwangsehedrama Kuma steht Hüseyin Tabaks prämiertes Debüt mit den Figuren auf Augenhöhe - die originellste ist die des schlecht gelaunten Jungtürken Çem (Orhan Yildirim), dem die Rolle zufällt, Veysel Nachhilfe zu geben. Da trifft der Film eine österreichische Gegenwart, deren Darstellung im Kino immer noch Seltenheit hat.    (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 13./14.4.2013)