Zwischen dem Infantilismus einer Politik, die Populismus für besonders glaubwürdig hält, wenn er aus den Kittelfalten der Omama hervor betrieben wird, und dem senilen Erlösergestus eines spät erweckten Wertegurus dürfen sich die Österreicherinnen und Österreicher wenige Monate vor der Nationalratswahl ihren Reim auf die Lage der Nation machen - wenn ihnen die Lust dazu nicht schon ausgetrieben ist. Wer hätte sich vor kurzem noch gedacht, dass das Wort "Oma" zu einem Mantra avancieren könnte, das einer Koalition, die unfähig ist, der Bevölkerung den Sinn der Europäischen Union nahe zu bringen, wenigstens zur Profilierung hiesiger Bankgeheimniskrämer dienen soll? Die geriatrische Argumentation ist frei von jedem Risiko, denn am Bankgeheimnis für die Oma - der Einsatz von Opas verbietet sich wegen der geringeren emotionalen Resonanz - wird sich schon deshalb nichts ändern, weil es mit der Abschaffung anonymer Konten vor acht Jahren ohnehin aufgehört hat zu spuken.

Lässt sich dieses Versprechen also leicht halten, gilt es doch auch, höhere Werte zu bewahren. Der unwidersprochene Satz, das Bankgeheimnis sei ein Bestandteil der österreichischen Kultur, sagt mehr über das Kulturverständnis der politischen Nomenklatura, als es selbst ein ehemaliger Finanzminister mit seinen Klagen über Einbrüche der Justiz in seine Privatsphäre vermöchte - und das ist eine Vorgabe, die uns als Kulturnation nicht nur über den Rest der EU und speziell über das perfide Luxemburg erhebt, sondern auch erlaubt, überschüssige Xenophobie endlich in die Bahnen eines gesunden Patriotismus zu lenken: Ja zur Aufhebung des Bankgeheimnisses für Ausländer (ohne Gnade für Omas), wenn es nicht mehr anders geht. Das lässt sich bestens argumentieren mit der rhetorisch vollzogenen Quadratur des Kreises: "Wir schützen das Bankgeheimnis und bekämpfen gleichzeitig Geldwäsche und Steuerflucht."

Das eine im Inland, das andere im Ausland, und zwar erbarmungslos. Man könnte es als Ironie der Weltgeschichte nehmen, dass ausgerechnet die oberösterreichische Inkarnation einer Maggie Thatcher aufruft, im Kampf um das hiesige Bankgeheimnis gegen Engelland zu fahren und den weniger glücklichen Insulanern Europas einmal zu zeigen, wo eine Fekter den Most holt. Gusseiserne Lady in einer Partei, die vor kurzen noch eine Transparenzdatenbank propagierte, sagt sie jetzt Nein zu einem automatischen Datenaustausch mit Leuten, die von den Seelen österreichischer Omas keine Ahnung haben - eine unverschämte Zumutung, die es sofort mit einer Kampfansage an das Steuerparadies Großbritannien zu bestrafen galt. Und die USA können froh sein, noch nicht in ihr Visier geraten zu sein.

Schwer zu sagen, was in diesen Tagen lächerlicher anmutet - der heuchlerische Wahl-Kampf der Regierungsparteien um eine längst obsolete "Privatsphäre" oder die sektenähnlichen Bemühungen, aus einem Strohsack ein Glaubensbekenntnis zu zaubern, das mehr scheinen soll, als es in seinem Kern darstellt: ein Steueroptimierungsmodell, nach dem der Staat wie ein Betrieb geführt wird, in dem ein Fränk Vetorecht hat. (Günter Traxler, DER STANDARD, 12.4.2013)