Er habe sich in schlaflosen Nächten oft gefragt, ob seine Geschäftsidee je online gehe oder ob er sich nicht doch wieder einen sicheren Job suchen sollte, erinnert sich Markus Heingärtner. Im Leben ge-he es aber nicht nur um Karriere, Firmenauto und den Parkplatz davor, sondern um Arbeit, die Spaß mache. Und wie viel Risiko er dabei eingehe, werde er wohl erst hinterher wissen. "Es ist wie ein Grat, den man entlangklettert, und sich dann denkt: Ui, war der steil."
Heingärtner studierte, brach dafür nach Thailand und Indonesien auf, jobbte im Europäischen Parlament in Brüssel, startete als Un-ternehmensberater, wechselte als Referent in den Wirtschaftsbund, ehe er Bundesgeschäftsführer des Management Clubs wurde. 2012 ließ er das Dasein als Angestellter sein und gründete ein Unternehmen. "Andere stecken ihr Geld in ein MBA-Studium, ich will die Freiheit, Dinge auszuprobieren, die ich für richtig halte."
Der Vorarlberger stellt die Plattform Usetwice auf die Beine. Sein Geschäftsmodell fußt auf dem Teilen von Alltagsgegenständen, von Bohrer und Beamer über Lawinenpiepser und Smokings bis zu Koffer und Zelten. Er selbst habe Ei-gentum, das er nicht regelmäßig brauche, oft als belastend empfunden. Zum einen wuchsen Jugendliche heute selten in Mangel auf und müssten nichts horten. "Sie definieren sich weniger über das, was um sie herumsteht." Zum anderen ließe sich beim Mieten oder Vermieten von sporadisch nötigen Gegenständen auch gut sparen.
"Selbstausbeutung"
Nach drei Monaten im Netz hat Heingärtner mehr als 160 Produkte im Verteiler, die ab einem Euro quer durch Österreich zu leihen sind. In Wien sollen es gut 3000 werden, seine langfristigen Ziele steckt der Betriebswirt bei 12.000.
30.000 Euro hat er selbst investiert, sein Bruder und ein Freund steuerten ihr Wissen bei. 300.000 Euro brauche es, um Usetwice in In- und Ausland aufzubauen. Bisher habe er nichts daran verdient, in 14 bis 18 Monaten sollte das Geschäft aber rentabel werden.
Die Sache mit der Selbstausbeutung stimme schon, sagt Heingärtner, das Auf und Ab sei stärker, als er je erlebt habe. Andererseits lerne er viel dazu, auch der Zuspruch von außen stimme ihn froh. Um Risikokapital für Gründer sei es allerdings schlecht bestellt. Die Österreicher legten ihre Geld lieber in Immobilien oder Aktien an. Das Feld der Unternehmensfinanzierung sei vielen fremd. Und mit Banken könnten Web-Start-ups in der frühen Phasen schon gar nicht rechnen. Risikokapital fließe eher in die Expansion bereits bestehender kleiner Betriebe. Wie viele andere österreichische Gründer von Internetfirmen sieht Heingärtner dennoch Aufbruchstimmung.
"Ideen verwirklichen"
Online-Dienstleister wie Runtastic, Wappwolf, Shpock, Finderly und Busuu holten die Szene ins Rampenlicht und inspirierten zu Träumen über den Sprung in die weite Welt. "Es gibt unter Gründern derzeit guten Spirit und viele Initiativen, die einen dazu ermutigen, Ideen zu verwirklichen" , sagt Julia Weinzettl. Dass der Weg vom Niederschreiben auf der Serviette bis zur Umsetzung steinig sei, liege in der Natur der Sache.
Weinzettl und ihr Mann starteten heuer Taskfarm, ein digitaler Marktplatz für Projektvermittlungen, auf dem Expertise und wissensbasierte Dienstleistungen zugekauft werden können - von aktuell 200 Experten. Bedarf dafür sehen die beiden aufgrund des Fachkräftemangels. Zudem zwinge der Kostendruck Betriebe dazu, ihr Nicht-Kern-Geschäft auszulagern und auszuschreiben, anstatt Mitarbeiter dafür fix anzustellen.
Knapp zwei Jahre an Vorlaufzeit steckten hinter Taskfarm, weiters eigenes Kapital und eine Förderung. Trotz des hohen administrativen Aufwands sei Österreichs Förderlandschaft gut, ist Weinzettl überzeugt. Geld fließt durch das Posten der Projekte herein, das Ziel sei die europaweite Expansion.
Andreas Kern, früherer Paybox-Chef, startete sein Wiener Start-up Wikifolio vergangenen Sommer in Deutschland; er versucht sich nun an Österreich und sondiert weitere Märkte. Seine Plattform, an der sich etliche Inkubatoren beteiligten, erlaubt Kleinanlegern, erfolgreichen Anlagestrategien anderer User zu folgen. 21 Millionen Euro seien so bisher investiert worden, rechnet Kern vor, im Schnitt pro Kopf knapp unter 4000 Euro.
"Ich will eine neue jugendliche Zielgruppe für den Kapitalmarkt begeistern." Die Früchte, die Wikifolio für ihn selbst abwerfe, seien bisher jedoch bescheiden. "Ich habe zum Glück zuvor eine Zeit lang ganz vernünftig verdient."
Warum die Zahl der Frauen im Kreis der Internet-Start-ups mehr als überschaubar ist, darüber ist man sich in der Szene weitgehend einig: Viele wollten und könnten es nicht riskieren, Jahre ohne gesichertes Einkommen zu arbeiten.
"Selbstüberschätzung"
Ein wichtiger Wirtschaftsmotor sei die Selbstüberschätzung. Oh-ne diese würden viele Ideen nie realisiert werden, und sie sei bei vielen Männern einfach stärker ausgeprägt, sinniert ein junger Gründer. "Wüssten viele schon vorab, was auf sie zukommt, würden sie es wohl bleiben lassen." (Verena Kainrath, DER STANDARD, 12.4.2013)