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STANDARD: Ist das deutsche Modell einer Haushaltsabgabe für öffentlichen Rundfunk mit österreichischem Recht vereinbar?

Lang: Das lässt sich nicht so einfach mit Ja oder Nein beantworten. Aber es gibt einige Argumente, die es vertretbar erscheinen lassen, die Abgabe an den Haushalt oder die Wohnung zu knüpfen.

STANDARD: Warum wollen die Gebührensender eine Abgabe unabhängig vom Empfang?

Lang: Die Anknüpfung an die Rundfunkempfangseinrichtung wird immer problematischer. Aufgrund der technologischen Entwicklung entstehen kaum lösbare Abgrenzungsprobleme. Die Fälle, in denen Sie Zugang zum Rundfunk haben, ohne dass Gebührenpflicht entsteht, sind immer häufiger. Denken Sie nur an den Laptop oder das Handy. Die Haushaltsabgabe versucht eine neue Typisierung: Wer eine Wohnung hat, hat wohl in den allermeisten Fällen Zugang zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dabei nimmt man in Kauf, dass eine kleine Zahl von Personen sich gar nicht für den Rundfunk interessiert oder technisch dazu nicht in der Lage ist, aber dennoch zahlt.

STANDARD: Kann man rechtlich in Kauf nehmen, dass es Menschen gibt, die zahlen müssen, obwohl sie  tatsächlich nicht empfangen?

Lang: Wenn tatsächlich mehr als 99 Prozent Rundfunk konsumieren oder konsumieren können, sind die Ausnahmen gering. Und man kann zusätzlich ins Treffen führen: Die Existenz eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist wichtig für die demokratische Kultur in einem Land. Dann profitieren selbst jene mittelbar von einem entwickelten demokratischen Diskurs, die die öffentlich-rechtlichen Programme nicht konsumieren.

STANDARD: Das hält vor dem Verfassungsgerichtshof?

Lang: Das kann man nicht hundertprozentig vorhersagen. Ist eine Regelung zu grob, kann sie dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Gibt es aber nur wenige Härtefälle, ist es im Regelfall okay. Das hängt aber auch davon ab, welche Alternativen der Gesetzgeber hat. Sollte sich zeigen, dass die Schwächen der möglichen Alternativen noch größer sind, spricht das für eine Haushaltsabgabe.

STANDARD: Haben Sie Alternativmodelle untersucht?

Lang: Wenn es technisch möglich ist, an die tatsächliche Nutzung anzuknüpfen, könnte das eine Alternative sein. Die Erhebung einer solchen Abgabe wäre aber vermutlich mit großem Verwaltungsaufwand verbunden. Und vor allem wäre dies doch ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre der Menschen. Aus ähnlichen Gründen hat der Verfassungsgerichtshof schon einmal eine Videoabgabe in Wien als verfassungswidrig erachtet.

STANDARD: Wenn schon praktisch alle zahlen sollen, könnte man Rundfunk ja auch aus dem allgemeinen Bundesbudget finanzieren.

Lang: Das wäre auch denkbar.

STANDARD: Der ORF warnt davor, das würde unmittelbareren Politikeinfluss bedeuten.

Lang: Rechtlich hat das Argument der Staatsferne in der Diskussion in Deutschland einen noch höheren Stellenwert als in Österreich. Aber je näher ich am staatlichen Finanztropf bin, desto abhängiger bin ich. Dann kann der Gesetzgeber eher auf die Idee kommen, dass es auch einige Millionen weniger für den Rundfunk tun könnten. In Österreich wird die Gebühr bisher mit der GIS von einer nicht staatlichen Stelle eingehoben.

STANDARD: Also Haushaltsabgabe als kleinstes Übel?

Lang: Die Anknüpfung der Steuerpflicht an einen Haushalt oder eine Wohnung ist sicher nicht völlig ideal. Wenn man sich mögliche Alternativen näher ansieht, fragt man sich, ob eine Haushaltsabgabe nicht die geringsten Schwächen hat. Wenn man sich für diese Modell entscheidet, stellt sich dann die nächste Frage: Wie kann eine solche Abgabe verfassungskonform ausgestaltet werden?

STANDARD: Das ist in Deutschland vielfach umstritten.

Lang: Überlegen muss man, ob es sachlich gerechtfertigt ist, die Abgabe – wie in Deutschland – an Wohnung und Betriebsstätte zu knüpfen. Wenn durch die Besteuerung der Wohnung auch mit erfasst ist, dass ich auf der grünen Wiese mit dem Handy Radio höre, warum muss ich dann den Medienkonsum im Betrieb extra besteuern? Oder den Medienkonsum im Dienstfahrzeug, während Deutschland jenen im Privatfahrzeug ausnimmt? Weiters wird die Abgabe für Betriebe in Deutschland nach der Zahl der Mitarbeiter gestaffelt und nach oben begrenzt, die Abgabe für Wohnungen aber nicht nach den Bewohnern. Und Hotelbetreiber sollen für jedes Zimmer zahlen – darüber wird in Deutschland verfassungsrechtlich diskutiert: Ist es gerechtferigt, ein Fünfsternhotel mit Flachbildschirm in jedem Zimmer und eine Zweisternunterkunft ohne Radio einer gleich hohen Steuer zu unterwerfen?

STANDARD: Befreiungen sozial Bedürftiger soll es auch bei der Haushaltsabgabe geben.

Lang: In Deutschland gibt es solche Ausnahmen weiterhin. Aber auch hier schlummern Gefahren: Wenn wer ausgenommen ist, fragen natürlich viele andere, warum sie weiter zahlen müssen. Der Gesetzgeber ist da gut beraten, Ausnahmen nur zu machen, wo sie unbedingt geboten sind. Je mehr Ausnahmen bestehen, desto häufiger stellt sich die verfassungsrechtliche Frage, ob sie nach sachlichen Kriterien abgegrenzt sind. 

STANDARD: Würde es nicht reichen, am Wohnsitz anzuknüpfen und Betriebe, Dienstautos, Hotelzimmer wegzulassen?

Lang: Für die Einbeziehung von Betriebsstätten spricht, dass die Menschen einen großen Teil ihrer Lebenszeit zu Hause und am Arbeitsplatz verbringen und oft an beiden Orten Medien konsumieren. Wenn der Gesetzgeber aber auch die Betriebsstätte besteuert, stellt sich die Frage, warum das Radiohören in der Straßenbahn oder auf der grünen Wiese unbesteuert bleibt. Vor diesem Hintergrund kann man sich auch fragen, ob nicht die Besteuerung der Wohnung reicht und damit der Medienkonsum an allen anderen Orten als miterfasst gelten kann.

STANDARD: Schon bisher hebt die GIS nicht alleine Programmentgelt für den ORF ein, sondern auch Abgaben der Länder und des Bundes, die wiederum zum Teil Medienthemen wie Fernsehfilmförderung zugute kommen, zum Teil bei den Ländern aber auch Musikschulen, Altstadterhaltung und dergleichen.  ORF-Chef Alexander Wrabetz schlug schon vor, Mittel auch für eine Presseförderung hier anzusiedeln, wohl um die Zeitungsverlage ins Boot zu holen. Wäre all das bei einer Haushaltsabgabe möglich?

Lang: Wenn man die Rundfunkfinanzierung auf eine neue Grundlage stellt, muss man wohl auch neue Lösungen für die anderen Abgaben suchen, die bisher an das Rundfunkempfangsgerät anknüpfen. Der Bundesgesetzgeber kann den Ländern durchaus erlauben, sich mit ihren Abgaben zB an eine Haushaltsabgabe anzuhängen. Vor dem Gleichheitsgrundsatz hat das dann Bestand, wenn sich die Anknüpfung an die Wohnung auch unabhängig von der Verwendung der Steuereinnahmen sachlich rechtfertigen lässt. Und dann können die Länder und Gemeinden die Mittel auch für andere Zwecke verwenden.

STANDARD: Würde es für eine Haushaltsabgabe in Österreich helfen, deutsche Entscheide abzuwarten?

Lang: Der Verfassungsgerichtshof würde deutsche Entscheidungen und deren Begründungen wohl berücksichtigen – daran gebunden ist er natürlich nicht. Aber die Probleme und die Argumente liegen auch jetzt schon auf der Hand. Und ich glaube nicht, dass in zwei Jahren in Deutschland alle Zweifel geklärt sind.  (Harald Fidler, DER STANDARD, 11.4.2013/Langfassung)