Dominik Loudas fiktive Räume ("Ohne Titel", 2012).

Foto: Galerie Engholm

Wien - Die Stadt ist nicht die Angelegenheit ihrer Erbauer, sondern ihrer Bewohner, machte 1966 der Schweizer Journalist und Sozialkritiker Gody Suter in seinem Buch Die großen Städte - was sie zerstört und was sie retten kann klar. Suter war weder Städteplaner noch Architekt, sondern "Laie", wie Schriftsteller Max Frisch im Vorwort festhielt. Es wäre nicht nur "statthaft, sondern Zeitgenossenpflicht", dass diese sich zu Wort melden. Denn die "Fehlleistung, die sich Städtebau nennt", beruhe auf dem Versagen der Laien: "Sie überlassen sich den Technikern."

Eine Weisheit, die spätestens zu Beginn des neuen Jahrtausends in unser Bewusstsein gesickert ist, das machen das steigende Interesse am Urbanen, das Etablieren künstlerischer Praxen wie jener des "urban practitioners" und das Verhandeln des öffentlichen Raums deutlich.

Dass mit dem Interesse am Thema Stadt nicht nur das Dérive der Situationisten wiederbelebt, sondern auch Architektenbibeln wie Roland Rainers Städtebauliche Prosa (1948) einer Relektüre unterzogen werden, legt die Ausstellung gleichen Titels in der Galerie Kerstin Engholm nahe. Neben Suter und Rainer liegen dort etwa auch Egon Riss' Raumveredelung oder Adolf Loos' Ins Leere gesprochen (1921) auf - Exponate, die auf eine Sehnsucht nach ganzheitlichen Konzepten für unseren Lebensraum schließen lassen. "Die neue Stadt", so Roland Rainer über das wandlungsbedürftigste menschliche Gesamtkunstwerk, müsse für die "persönliche Entwicklung schöpferischer Menschen Raum und Ruhe geben, alles Ameisenhafte muss ihr fremd sein".

Die Dialoge zwischen den in Vitrinen nur als Referenz versperrten Bänden und den präsentierten Kunstwerken bleiben jedoch vage. Die an Formen und Präsenz urbaner Architektur interessierten Raumbilder Dominik Loudas, die melancholischen Stadtkulissen von Hendrik Krawen, das Bewahren vermeintlich überholter Ästhetiken bei Bernd Trasberger oder auch Billie Meskens Befragungen Le Corbusiers becircen dennoch jeden, der ohnehin den abstrakten Kompositionen der modernen Stadt verfallen ist. Und sie stacheln an, die Zeitgenossenpflicht des Laien zu erfüllen. Es ist unsere Stadt! (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 11.4.2013)