Bild nicht mehr verfügbar.

Hätten die Jeanshersteller auch noch Unterhosen aus Jeans im Angebot gehabt, dann hätten manche auch sie einer kratzigen Prüfung unterzogen.

Foto: AP/File

Es ist an der Zeit, an einen Stoff zu erinnern, der früher ein richtig wilder Hund war. Er war so rau wie die Typen, die ihn trugen, er war grob und kratzig und wenn ihn jemand auf der Haut trug, dann konnte er sicher sein, dass alle Blicke auf ihn ruhten. Eine Waschmaschine sah dieser Stoff nie von innen und auch sonst fühlte er sich im Dreck und im Schmutz wohler als in einem sauber aufgeräumten Wohnzimmer.

Je mehr Leute allerdings in Denim schlüpften, umso angepasster gab er sich. Heute erzählt man sich höchstens noch an den Lagerfeuern der Marketingleute, was der Jeansstoff früher draufhatte. Den Schreck, den er auslöste. Die Provokation, die er inmitten all der Sonntagsanzüge darstellte.

Großstadt-Cowboy

Wobei jene, die etwas auf sich hielten, sich nie mit einem Stück Jeans zufriedengaben. Wer ein (Großstadt-)Cowboy sein wollte, der trug Denim unten, und der trug es oben, und hätten die Jeanshersteller auch noch Unterhosen aus Jeans im Angebot gehabt, dann hätten manche auch sie einer kratzigen Prüfung unterzogen. Zumindest war das in den 1980ern so.

Damals hatte der All-over-Denim-Look das letzte Mal einen großen, wenn auch stonegewashten Auftritt. Ihn sieht man heute wieder. Was jahrelang verpönt war, die Kombination von Blau und Blau, wird nun selbst von Bürohengsten getragen.

Die Kollegen sind verdutzt, der Träger fühlt sich wie ein Desperado. Für einen Moment flackert das lange zurückliegende Rebellendasein des guten alten Jeansstoffs auf. Es wird ein Strohfeuer gewesen sein. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 12.4.2013)