Bild nicht mehr verfügbar.

Wenn sich die Windräder drehen, die Energie aber nicht verbraucht wird, soll künftig überschüssiger Strom in künstliches Erdgas umgewandelt werden.

Foto: APA/Arno Burgi

Das Problem mit Strom aus erneuerbarer Energie ist, dass er selten an dem Ort und zu der Zeit gewonnen wird, wo und wann er gebraucht wird. Windenergie wird in Offshore-Parks im Meer oder in entlegenen Landgegenden gewonnen. Bei großflächigen Solaranlagen bieten sich wie beim geplanten Desertec-Projekt in Nordafrika Wüstengegenden an.

Dem Wind ist nicht beizubringen, dass er zu Zeiten von Verbrauchsspitzen wehen soll, und die Energie der Sommersonne würde man gerne fürs Heizen im Winter aufsparen. Die Kapazitäten bestehender Stromnetze sind zudem beinahe ausgeschöpft. Der teure Umbau des Netzes in Smart Grids, die den Strom gezielter und bedarfsorientiert verteilen sollen, lässt auf sich warten.

"Aus der vermehrten Energiegewinnung aus Wind- und Solarkraft entsteht ein Weiterleitungs- und ein Speicherproblem", sagt Markus Lehner, Leiter des Lehrstuhls für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes der Montan-Uni Leoben. Er forscht mit seinem Team in dem vom Wissenschaftsministerium unterstützten Research-Studio "EE-Methan aus CO2" an einer besonderen Lösung dieses Problems: Überschüssige Energie aus Wind- und Sonnenkraft soll verwendet werden, um mithilfe des Treibhaushausgases CO2 Methan herzustellen. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und kann problemlos in Ergasautos oder -heizungen verbrannt und in Erdgasleitungen transportiert werden.

Von Wasserstoff zu Methan

"Technisch besteht eine Anlage, die aus erneuerbarer Energie und CO2 Methan herstellt, aus zwei wesentlichen Teilen", erklärt Lehner: Zuerst wird durch den gewonnenen Strom per Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. "Wasserstoff wäre theoretisch schon ein erstes Endprodukt", sagt Lehner. "Es könnte weitergeleitet und in Turbinen wieder verstromt werden." Wasserstoff habe aber eine geringere Energiedichte, und durch seine molekulare Struktur entweicht es leichter als Methan.

Der größte Nachteil ist aber: Es gibt für Wasserstoff keine Infrastruktur, keine Pipelines und wenige bestehende Anlagen, um es wieder in elektrischen Strom umzuwandeln. "Wasserstoff darf in Österreich nur mit maximal vier Volumsprozent in Gaspipelines eingespeist werden", erklärt Lehner. Bei einem größerem Anteil würden die Gasturbinen nicht mehr richtig funktionieren.

Also bringt man in einem zweiten Schritt den Wasserstoff mit Kohlendioxid, also CO2, in Reaktion, um Methangas zu gewinnen. "Der chemische Prozess ist schon lange bekannt", sagt Lehner, "großtechnisch wurde bisher aber vor allem Kohle in aufwändigen Prozessen in methanhältiges Gas umgewandelt". Um Wasserstoff mit CO2 reagieren zu lassen, benötigt man Edelmetallkatalysatoren. "Um kleine dezentrale Lösungen möglich zu machen, wollen wir die Katalysatoren in geometrischer Struktur zu modularen Anlagen ordnen, die leicht in unterschiedlichen Größen realisierbar sind", sagt Lehner.

Das benötigte CO2 könnte man aus fossilen Kraftwerken oder aus Prozessen in der Stahl- oder Zementindustrie, wo es anfällt, abtrennen. "Auch Biogasanlagen, in denen Biomasse durch Mikroben in Methan und Kohlendioxid umgewandelt wird, sind eine interessante CO2-Quelle", sagt Lehner. Das Kohlendioxid würde so einer Zweitverwertung zugeführt, was die CO2-Bilanz verbessert und umstrittene Methoden wie das Verpressen von CO2 im Erdboden, sogenanntes "carbon capture and storage" (CCS), in die Ferne rücken lassen.

Die große Abwärme von 300 bis 400 Grad Celsius, die bei dem Prozess entsteht, könnte zudem genutzt werden, um das benötigte CO2 in fossilen Kraftwerken abzutrennen. "Der Prozess wäre so in ein vernünftiges Gesamtkonzept eingebettet", sagt Lehner. Wenn man das Methan dann in einem Kraftwerk wieder verstromt, liegt der Wirkungsgrad bei nur 35 Prozent - aber immerhin ohne dafür fossile Brennstoffe zu verbrauchen. Zum Vergleich: Ein Kohlekraftwerk kommt auch nur auf 40 Prozent.

Problem Wirtschaftlichkeit

Obwohl Wind und Sonne eigentlich "gratis" sind, ist bei der Technik die Wirtschaftlichkeit das Hauptproblem. "Ein Kubikmeter synthetisches Erdgas ist doppelt so teuer wie fossiles", erklärt Lehner. "Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie wird aber auch der daraus resultierende Strom billiger. Es kann sogar zu Negativstrompreisen kommen. Dann schaut die Wirtschaftlichkeitsrechnung schon wieder anders aus."

In großem Maßstab wird die Methanproduktion aus alternativen Energieformen noch nirgendwo betrieben. "Ich gehe davon aus, dass wir in Österreich in vier bis fünf Jahren eine Pilotanlage haben werden", sagt Lehner. In Deutschland baut das auf diese Technik spezialisierte Unternehmen Solar Fuel gerade für den Autobauer Audi eine Pilotanlage, die 2013 in Betrieb gehen und täglich 4000 Kubikmeter Methan liefern soll.

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Konzept langfristig auch eine großtechnische Umsetzung findet", sagt Lehner. "Es gibt sonst kaum eine andere Möglichkeit, große Strommengen zu speichern und in bestehenden Netzen durch Mitteleuropa zu leiten." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 10.4.2013)