Wien - Ungarn, Tschechien und Slowenien. An den Börsen dieser Länder hält die Wiener Börse bereits die Mehrheit. Nur in Polen haben sich die Wiener bisher die Zähne ausgebissen. Jetzt könnte sich das Blatt wenden. Die Börse Warschau will Fusionsgespräche mit den Wienern aufnehmen, berichtete Bloomberg am Dienstag unter Berufung auf in die Gespräche involvierte Kreise. Die beiden Handelsplattformen hätten bereits Gespräche über einen möglichen Zusammenschluss geführt, heißt es.

Für die Polen wäre eine Fusion ein strategischer Schachzug. Mit den Beteiligungen und sonstigen Ost-Kooperationen der Wiener Börse in petto würde Warschau zur großen zentraleuropäischen Handelsplattform aufsteigen. Dass so eine Plattform Sinn machen würde, hat Andreas Treichl, Chef der Erste Group, zu Jahresbeginn laut betont. Die Erste Group gehört wie die UniCredit und die Raiffeisen Bank International (RBI) zu den größten Aktionären der Wiener Börse.

Nicht offiziell

In Wien will man von solchen Plänen offiziell nichts wissen. Wenn Börse-Vorstand Michael Buhl in den nächsten Tagen zum neuen Chef der Warschauer Börse, Adam Maciejewski, fährt, handelt es sich um einen "Antrittsbesuch", sagt Wiener-Börse-Sprecherin Beatrix Exinger. Es gehe darum, Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit auszuloten. Denkbar seien etwa Kooperationen im Indexbereich. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger sei Maciejewski für Kooperationen offen.

"Wäre Warschau im Verbund, wäre das eine große Chance für Wien", heißt es aus Eigentümerkreisen der Wiener Börse zum Standard. Damit wäre man im Vergleich zur Deutschen oder russischen Börse gut positioniert. Sollte tatsächlich fusioniert werden, müsse man die Besetzung der Gremien sorgfältig betrachten.

Harter Wettkampf

Die beiden Börsen stehen sich derzeit als Konkurrenten um den Titel der wichtigsten Osteuropabörse gegenüber. Wien hat durch den Einbruch bei Börsengängen zuletzt Terrain verloren. Warschau konnte dank zahlreicher Börsengänge von Staatskonzernen und dem regen Zustrom ukrainischer Firmen profitieren. In Warschau notieren aktuell 438 Unternehmen mit einem Marktwert von umgerechnet knapp 170 Mrd. Euro. In Wien sind es 239 Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 130 Mrd. Euro.

Heimische Unternehmen haben Warschau schon längst für sich entdeckt. Warimpex ist bereits in Warschau notiert, die Immofinanz strebt das Doppellisting noch im April an. Bis spätestens Juni 2018 will auch die RBI die Doppelnotiz geschafft haben.

In Warschau wurde die kolportierte Fusion nur knapp beantwortet: "Kein Kommentar". (bpf, DER STANDARD, 10.4.2013)