Wien - Für Josef Pröll war es eine Premiere. Am Dienstag, zehn Uhr, stand der ehemalige Vizekanzler, Finanzminister (ÖVP) und nunmehrige Chef des Raiffeisen-Mühlenkonzerns Leipnik-Lundenburger erstmals in seinem Leben vor Gericht, wie er später erzählen sollte. Pröll war der erste Zeuge im Verfahren vor dem Wiener Handelsgericht, mit dem die BayernLB (BLB) die Rückabwicklung ihres Einstiegs in die Hypo Alpe Adria wegen arglistiger Täuschung anstrengt. Beklagt ist der kleinste Ex-Hypo-Aktionär, die Mitarbeiterprivatstiftung der Bank (MAPS).

Das von Richterin Charlotte Schillhammer stringent geführte Verfahren war längere Zeit unterbrochen gewesen; zwecks Klärung, wer als Nebenintervenient zugelassen wird. Nun gibt es fünf solcher " Streithelfer": Hypo, Wolfgang Kulterer, Kärntner Landesholding. Ex-Banker Tilo Berlin ist indirekt doppelt vertreten: Er selbst ist aufseiten der MAPS Nebenintervenient; seine B & Co. Beteiligungs GmbH bei der BLB.

Der Verhandlungstag begann unerfreulich: mit Zeugenabsagen. So ließ der vormalige bayerische Finanzminister und BLB-Aufsichtsratschef Kurt Faltlhauser wissen, dass er nicht nach Wien kommen werde. Seine Erklärung: Er unterliege "nicht der österreichischen Gerichtsbarkeit". Auch Ex-BLB-Vorstandsmitglied Ralph Schmidt wird nicht anreisen.

Einblick

Josef Pröll war da. Seine Einvernahme bot Einblick in die Zeit der Hypo-Notverstaatlichung - und in die Wahrnehmung und Erinnerungskraft eines (Ex-)Politikers. Im Kern ging es bei seiner Befragung um die Nacht von 12. auf 13. Dezember 2009, als er auf politischer Ebene über die Zukunft der Bank verhandelte. "Das große Thema dieser Nacht war die Frage der Kapitalbeteiligung der Alteigentümer und der Liquiditätslinien, die in der Bank bleiben sollten", erzählte Pröll, " die Detailverhandlungen fanden dann ohne mich auf Expertenebene statt."

Immer wieder wies der Ex-Finanzminister darauf hin, dass es um die Existenz der Hypo ging, darum, "volkswirtschaftlichen Schaden" von Österreich, Südosteuropa, gar vom Euro abzuwenden. Es sei in dieser Nacht klar gewesen, dass die Insolvenz drohte, die Finanzmarktaufsicht hatte ja schon einen Geschäftsaufseher für Klagenfurt bestimmt. Letztlich habe man in dieser "Notsituation" ausverhandelt, dass die Altaktionäre eine Milliarde Euro Kapital einschießen, die Bayern 3,5 Mrd. Euro Liquidität in der Bank lassen. "Damit war die Entscheidung zum Aktienkaufvertrag (Verstaatlichung; Anm.) gefallen", Details wisse er nicht.

Das stellte Pröll bei den Nachfragen der Anwälte unter Beweis. Warum der Staat keine Gewährleistung vereinbart habe? Ob es schon im November 2009 Gespräche der Bayern mit dem Finanzministerium gegeben habe? Ob ihm bekannt gewesen sei, dass die Bayern zuvor Kreditlinien eingefroren hatten? Prölls Antwort: "Ich kann mich nicht erinnern."

Nur einmal fiel er aus der Zeugenrolle, als er, etwas ungeduldig wirkend, in Richtung der Anwälte meinte: "Schade, dass ich hier keine Fragen stellen darf." "Ja, das dürfen Sie nicht", sprach die Richterin, um sich nach eineinhalb Stunden beim Zeugen für sein Kommen zu bedanken. Seine Antwort: "Gerne. Also: sehr gerne." (Renate Graber, DER STANDARD, 10.4.2013)