Wenn bei einem Unfall mit Schwerverletzten ruchbar würde, dass keine Ärzte, sondern medizinische Hilfskräfte an den Unfallsort gerufen wurden, wäre die Ärztekammer in Aufruhr. Wenn bei einer Verhaftung durchsickerte, dass dem Verdächtigen keine Rechtsanwältin zur Seite gestellt wurde, sondern eine Jus-Studentin im 1. Semester, wäre die Anwaltskammer auf der Palme.

Wenn  also bei der Einvernahme von AsylwerberInnen durch die Asylbehörde ungeschulte Laien zum Dolmetschen verwendet wurden, wenn es Proteste von Flüchtlingen hagelt und UNHCR, wie der STANDARD berichtet, diese Zustände bemängelt, dann ist das dem Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen in Österreich nicht egal. Hier gerät schließlich unser ganzer Berufsstand in ein schiefes Licht.

Denn genauso lebensentscheidend, wie die Anwesenheit eines qualifizierten Arztes oder Rechtsanwalts für Einzelne sein kann, so lebensentscheidend kann die Anwesenheit einer/eines versierten Dolmetscher/in für AsylwerberInnen bei ihren Anhörungen sein.

DolmetscherIn oft entscheidend für Ausgang des Asylverfahrens

Das Innenministerium (BMI) selbst erkannte in seinem Handbuch "Dolmetschen im Asylverfahren" hellsichtig an, dass DolmetscherInnen einen großen Einfluss auf den positiven oder negativen Ausgang eines Asylverfahrens hätten.

Sparkurs

Nur klafft eine große Kluft zwischen Worten und Taten: 2012 überließ das dem BMI unterstellte Bundesasylamt den Einsatz von DolmetscherInnen der nach vielen Beschwerden inzwischen geschassten Sicherheitsfirma NSA-Security. Offenbar waren dem BMI die 24,50€ Honorar pro erster halber Stunde und 12,40€ für jede weitere halbe Stunde für die bisher verwendeten DolmetscherInnen noch immer zu üppig – neun Euro und sogar darunter war die neue Entlohnung.

Im Asylverfahren werden üblicherweise drei Kategorien von DolmetscherInnen verwendet: Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte DolmetscherInnen; "Sprachgeprüfte", also mit Dolmetsch- oder Übersetzungsstudium; und "Sprachkundige", das sind meist Personen ohne einschlägige translatorische Ausbildung und Erfahrung.

Anders als EU und UNO, die von ihren DolmetscherInnen Diplome erwarten und Akkreditierungstests veranstalten, müssen DolmetscherInnen im Asylbereich in Österreich keine Befähigungsnachweise erbringen.

Vorschlag

Über eine Zulassungsprüfung sollten einheitliche Qualitätsstandards trotz unterschiedlicher Hintergründe der DolmetscherInnen sichergestellt werden. Auch wird nichts unternommen, um die ungelernten "Sprachkundigen" vorab in Dolmetschtechniken, Ethik, Auftreten, Psychologie usw. zu schulen. Sie sind diejenigen, die zum Einsatz kommen, wenn Sprachen wie Farsi, Urdu, Paschtu oder Dari gebraucht werden, für die es in Österreich nicht einmal eine Ausbildung gibt.

Das Institut für Translationswissenschaften (ITAT) der Universität Graz wurde initiativ und veranstaltete vor einigen Jahren einen externen dreisemestrigen Kurs für „Sprachkundige", Kostenpunkt 150 Euro pro Semester. Er wurde begeistert aufgenommen. Bei der Neuauflage des Kurses war die öffentliche Förderung weggefallen: 800 Euro pro Semester. Zu teuer für die meisten.

In Wien hat derartiges noch nie stattgefunden, auch wenn der Bedarf groß wäre – es fehlt das Geld dafür. Von der öffentlichen Hand finanzierte Kurse, um den "Sprachkundigen" zumindest Grundvoraussetzungen des Dolmetschens zu vermitteln, wären ein Lösungsansatz.

In vielen Berufungen gegen Entscheidungen der Asylbehörden wird leider zu recht schlechte Verdolmetschung als Grund angegeben – sind längere Verfahren wirklich billiger, als im Vorfeld für besser ausgebildete Leute zu sorgen?

Aber vielleicht sehen die Verantwortlichen, die den Geldhahn zudrehen, ja einfach nur zu viel fern. Denn stilbildend für die Grundhaltung im Lande zu Dolmetschleistungen (und was sie kosten dürfen) sind die vielen TV-Krimis, in denen der achtjährige türkische Bub bei Polizeibefragungen der Familie als Dolmetscher verwendet wird. Oder in denen Harald Krassnitzer als Moritz Eisner im österreichischen "Tatort" sonnig in eine Truppe mazedonischer Arbeiter hineinruft: "Kann einer von euch Deutsch?" - Und schon ist ein neuer Behördendolmetscher geboren. Noch dazu gratis. (Leserkommentar, Brigitte Schön, derStandard.at, 9.4.2013)