Wien/Teheran - "Die Iranistik ist unter den Nahostwissenschaften sicherlich die am wenigsten sichtbare" - ein Nischenfach will Florian Schwarz, Direktor des Instituts für Iranistik an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), dennoch nicht sein. Seit zehn Jahren beschäftigt man sich hier auch institutionell mit der Kultur- und Sprachgeschichte "einer der großen kulturellen Traditionen Asiens, die immer schon Brückenlandschaft und Kontaktzone gleichermaßen war." Auch wenn das aufgrund der politischen Lage im Iran nicht immer einfach ist. "Wenn wir moderne Staaten verstehen wollen, müssen wir uns auch historisch mit ihnen beschäftigen", ist Schwarz überzeugt. Am Mittwoch (10. April) wird das zehnjährige Bestehen des Instituts mit einem Festakt gefeiert.

Mit der Islamischen Revolution 1979 habe die akademische Welt zusehends das Interesse an der Region verloren, viele Kontakte seien abgerissen. Das Fach habe sich kaum mehr etablieren können und sei heute im Wissenschaftsbetrieb unterrepräsentiert. "Umso wichtiger, dass wir als Standort die Bedeutung der wissenschaftlichen Erforschung dieses Gebietes sichtbar machen", sagte Schwarz. Iranische Personennamenskunde zählt ebenso zu den Tätigkeitsfeldern des Instituts wie persische Dichtung oder die diplomatischen Kontakte zwischen Österreich und Iran.

Profitieren von lange etablierten Arbeitskontakten

"Wir sind aber kein politik- oder sozialwissenschaftliches Institut", betonte Schwarz. Die politischen Entwicklungen im Iran sind deshalb kein Tätigkeitsfeld, auch wenn sie das Forschen natürlich beeinflussen würden. "Die jeweilige politische Lage hat etwa Auswirkungen auf den Archivzugang", erklärte Schwarz, "wir profitieren dabei aber mehr als andere Länder von lange etablierten Arbeitskontakten im wissenschaftlichen Bereich." Deshalb funktioniere auch die Zusammenarbeit mit iranischen Kollegen relativ reibungslos.

"Einige Missverständnisse" zwischen Europa und Iran

Momentan taucht der Iran häufig in den Schlagzeilen auf, Schwarz freut das aber nicht nur. "Mediale Aufmerksamkeit ist ein zweischneidiges Schwert. Es besteht ein großes Interesse der Öffentlichkeit, aber meist kein Interesse an der differenzierten kritischen Betrachtung." Von politischen Krisen könne und wolle man daher im Institut für Iranistik auf keinen Fall profitieren. Dabei wäre Grundlagenforschung und die Vermittlung dieser Ergebnisse Schwarz ein großes Anliegen. "Denn zwischen Europa und Iran gibt es einige Missverständnisse. Es wäre auch wichtig, Vorurteile auszuräumen und von Vereinfachungen wegzukommen."

Lange Vorgeschichte der Iranistik

Eigentlich habe die Iranistik vor allem in der Sprachwissenschaft eine lange Vorgeschichte, schilderte Schwarz. Heute steht nicht nur Iran selbst im Fokus, sondern auch der von der persischen Kultur und Sprache beeinflusste Raum - dazu zählen etwa Usbekistan, Tadschikistan und Afghanistan, aber auch Indien oder Pakistan. "Oft fällt es schwer, wirklich klarzumachen, wie groß der Bereich ist, mit dem wir zu tun haben", sagte Schwarz. Anhand des Iran könne man beispielhaft zeigen, wie Kulturkontakt funktioniert.

Denn die persischen Handelsbeziehungen gingen weit über die Grenzen des heutigen Iran hinaus. Auch Österreich, allen voran die Monarchie der Habsburger, unterhielt rege Geschäfts- und diplomatische Beziehungen. Davon zeugen nicht nur Kunstgegenstände in österreichischen Museen und Handschriften in der Sammlung der Nationalbibliothek, sondern auch ein Grabgewand Herzog Rudolfs IV. Es ist aus einem mittelalterlichen iranischen Luxusstoff geschneidert und liegt heute im Dom- und Diözesanmuseum Wien.

Wissenschaftlicher Nachwuchs fehlt

Im Moment fehlt es allerdings an wissenschaftlichem Nachwuchs: An den österreichischen Universitäten gebe es keinen Studiengang für Iranistik, auch wenn Schwarz an einem eigenen Studienschwerpunkt arbeitet. In Zukunft will sich das derzeit 14 Mitarbeiter und mehrere Gastwissenschafter umfassende Institut auch verstärkt mit der Gegenwartsgeschichte des Irans auseinandersetzen. Zusammen mit dem Lehrangebot könnte das mehr Interesse wecken.

Ob man den Staat mit dem Artikel "der" versieht, sei übrigens fast Geschmackssache, erklärte Schwarz. Inzwischen hätten sich beide Formen eingebürgert. Übersetzt man aber wortwörtlich, müsste es eigentlich nur "Iran" heißen. Der Artikel habe sich aus der Übersetzung des ähnlich klingenden "Irak" eingeschlichen. (APA, 9.4.2013)