"Facebook Home": Ein "Apperating System" zwischen Betriebssystem und Apps

 

Screenshot: Facebook

So ganz sicher sind sich Medien und Technologiekonsumenten über "Facebook Home" noch nicht. Die für Android entwickelte Facebook-Oberfläche hat am Donnerstag zwar Facebooks Aktienkurs etwas verbessert, ob die Integration auf Android-Geräten bei der Masse aber tatsächlich ankommt, bleibt abzuwarten.

Zwischen Betriebssystem und Apps

Eine große Überraschung war die Ankündigung von Facebook aber nicht. Schon Wochen zuvor wurde über ein mögliches Facebook Phone spekuliert. Die Frage war nur: Mit welchem Hersteller wird Facebook kooperieren und was macht der Netzwerk-Riese mit der Software? Das eigene Betriebssystem blieb zwar aus, eine eigene "Facebook-Schicht" über dem Betriebssystem kam stattdessen. Das von Wired als "Apperating System" bezeichnete System ist womöglich erst der Anfang einer Reihe von Plattformen, die sich zwischen Apps und Betriebssystem einspannen lassen werden.

Bedienung von Zielgruppen

Wired-Autor Ryan Tate geht davon aus, dass "Facebook Home" nur der Anfang der kommenden Plattformen ist. Googles Android-System als Basis für ein etabliertes Betriebssystem zu wählen, darüber eine Schicht an eigenen Features zu legen und dennoch mit Android-Apps kompatibel zu sein, scheint eine durchaus nachahmenswerte Idee zu sein. Technologie-Unternehmen könnten zukünftig solche "Zwischenschichten" anbieten, um bestimmte Zielgruppen anzusprechen.

Kampf noch nicht vorbei

Wie Wired anmerkt, ist auch Amazons Kindle Fire einem ähnlichen Modell unterworfen, jedoch wurde dort auf Android-Ebene noch mehr gebastelt. Auch Apples Betriebssystem iOS, das durchwegs verschlossener ist als Android, bietet einige Möglichkeiten, um eigene Plattformschichten zu implementieren - wenn auch nicht im großen Stil. Wie glücklich Apple und Google mit diesen Entwicklungen sein werden ist schwer zu sagen. Klar ist jedenfalls, dass der Kampf um die Machtposition in der Betriebssystem-Sparte für mobile Geräte noch lange nicht vorbei ist.

Business-Modell untergraben

Vor allem für Google könnte es relativ unangenehm werden, sollten sich Unternehmen für Implementierungen wie Amazons Kindle Fire entscheiden: In diesem System gibt es weder einen Google Play Store noch einen Google Browser. Alle relevanten Apps wurden durch eigene Amazon-Anwendungen ersetzt. Auch, wenn Facebook dies in einer deutlich abgeschwächteren Form gewagt hat, sind die für Google wichtigen vorinstallierten Apps laut Wired nun "einige Klicks weiter entfernt", sodass die Wahrscheinlichkeit ihrer Nutzung deutlich sinkt. Denn das große Geld bekommt Google nicht durch Android selbst, sondern durch die Nutzung unterschiedlicher Google-Dienste. Durch den Kindle Fire oder durch Facebook Home würde das Business-Modell von Android zunichte gemacht werden.

Apple deutlich verschlossener

Apple hingegen hat sein System soweit verschlossen, dass beliebige Anpassungen nicht immer möglich sind. Doch auch dort finden sich Wege, die Integration etwas voranzutreiben. So hat der Cloud-Speicher-Dienst Dropbox seine Anwendung so gestaltet, dass Dropbox-Server mittlerweile aus den unterschiedlichsten  Apps  zugänglich sind und miteinander kommunizieren. Sogar in Apples eigene Anwendung Pages lassen sich Dropbox-Dateien mittlerweile versenden. Dropbox hat sein System so konstruiert, dass ein Account bei dem Dienst dazu verhilft, Daten an den globalen Dropbox-Ordner zu senden und mit anderen Apps wieder auszulesen. Auch Googles iOS-Apps kommunizieren miteinander, sodass Datenaustausch zwischen den Google-Services möglich ist.

Konflikte

Ryan Tate meint, dass im Beispiel Dropbox die Integration durchaus brauchbar sei und das Betriebssystem bereichere. In anderen Fällen könnte es bei den "Apperating Systems" jedoch zu Konflikten mit dem darunterliegenden Betriebssystem kommen, was unter anderem zu einer Sperre durch den Betriebssystem-Anbieter führen könnte.

Philosophie vs. Einnahmen

Die Frage ist, wie sich die Betriebssystem-Giganten darauf einstellen und wie sie reagieren werden. Möglich ist, dass Android beispielsweise in seiner nächsten Version "Facebook Home" irgendwie aussperren könnte. Auf der anderen Seite könnte Google weiterhin das offene Betriebssystem propagieren, das es einst sein sollte. Der Nachteil, der dadurch womöglich auf Google zukommt und eventuell mit Einnahmeneinbußen einhergeht, wird aber früher oder später thematisiert werden. Es wäre zumindest, so Wired, nicht das erste Mal, dass eine Unternehmensphilosophie zugunsten höherer Einnahmen "korrigiert" wird. (red, derStandard.at, 9.4.2013)