Einen Ansager, dem eine unausgesprochene Deutungshoheit zugetragen wird, gibt es in jeder Jugendgruppe.

Foto: Heribert CORN, corn@corn.at

Wie wirkt Sprachgebrauch auf Jugendliche? Darauf können Linguisten wohl bessere Antworten geben. Oft kann ich aber beobachten, wie der Wortschatz, zumindest unter den zu betreuenden Jugendlichen hier, konstruiert wird.

Der Sprachstil ist direkt und frontal. Er entspringt aus dem Umfeld; dazu gehören die eigene Sozialisation samt Interessen und die Sprache der Gruppe in der man sich bewegt. Was ich fast täglich zu hören bekomme sind aber auch herabwürdigende Wortgebilde gegenüber Anderen, Gleichaltrigen oder Jüngeren. Teils "zum Spaß", teils auch im vollen Ernst. Vielleicht um die Aufmerksamkeit auf sich zu richten.

"Opfer" ist so ein Wort - ein gängiger negativer Begriff unter den Kids. Er steht stellvertretend für alles, was von anderen als schwach empfunden wird: Jemand, der nichts auf die Reihe bekommt oder aus der Sicht des Adressaten intellektuell hinterher hinkt.

Aber nicht jeder der sich "Opfer" denkt, darf es auch aussprechen. "Das Recht des Stärkeren“, gilt hier ebenso in der Sprache, wie am Spielplatz. Der mit dem meisten sozialen Prestige gibt den Ton und den Takt an. Einen Ansager, dem eine unausgesprochene Deutungshoheit zugetragen wird, gibt es in jeder Jugendgruppe. Viele Jüngere scharen sich um ihn oder sie, ahmen dabei fleißig nach – können nicht hinterfragen.

So verbreiten sich Schimpfwörter wie ein Lauffeuer – besonders unter den ganz Jungen. "Hure“, schimpfte letztens eine 9-Jährige ihre ehemals beste Freundin, nachdem sich beide vorher noch gegenseitig relativ harmlos aufgezogen hatten. Der wahllose Gebrauch bleibt nicht ohne Folgen: Bei der kleinsten Erregung werden diese Ausdrücke wieder und wieder abgeworfen. Inflationär. Denn damit verliert ein starker Begriff seine Bedeutung und fügt sich zu anderen ganz üblichen Redewendungen hinzu. (red.,8.4.2013, daStandard.at)